Und abends etwas Liebe
eleganten Drehung. Dann sprang er schwungvoll von dem Fahrersitz herunter. Während er unsere eiskalten, fragenden Blicke ignorierte, setzte er direkt vor dem Eingang gelassen einen Koffer ab. Nur einen Augenblick später öffnete sich die andere Tür des Wagens, und heraus kam ein Mädchen. Zunächst stand sie da und schaute sich unschlüssig um. Dann sagte sie etwas zu Freeman, der auf uns zeigte. Sie nahm eine kleine Geldbörse aus ihrer Handtasche, gab Freeman Geld und sah zu, wie er wieder in seinen Wagen stieg. Er setzte zurück, bis er den Wagen drehen konnte, um dann wie wild davonzufahren.
»Wer ist das Kind?« fragte Larry, und wir gingen gemeinsam zum Gartentor, um sie zu begrüßen.
Noch immer stand sie bei ihrem Koffer, und mein erster Eindruck war, daß sie nicht älter als fünfzehn sein konnte. Sie war nicht sehr groß, hatte eher unordentliches, lockiges, rotes Haar und ein schmales Gesicht mit dunklen Augen. Sie war nicht gerade besonders gut gekleidet und sah merkwürdig hilflos aus. Aber in einem Anflug von Entschlossenheit packte sie ihren Koffer und kam auf das Gartentor zu, um uns zu begrüßen. Bei ihren ersten Worten traf mich fast der Schlag. »Wer von Ihnen«, fragte das Mädchen mit einem nervösen Lächeln, »ist meine Tante Susan?«
Dieser Frage folgte zunächst eine tödliche Stille. Dann sagte ich mit einer, wie ich hoffte, nicht zu unterdrückten Stimme: »Ich bin Susan Russel, aber ich bin nicht die Tante von irgend jemandem.« Irgendeine teuflische Verderbtheit veranlaßte Larry, einmal in ihrem Leben sehr genau zu sein.
»Aber Susan, natürlich bist du das«, sagte sie vorwurfsvoll. »Denk doch nur an die Kinder deiner Schwester.«
Ich war ein wenig aus der Fassung gebracht. Felicitys Sohn ist fünf und Dawns Tochter zwei Jahre alt. Ich antwortete spitz: »Ich bin auf keinen Fall die Tante irgendwelcher schon halberwachsenen Neffen oder Nichten.«
Nach einem Augenblick peinlichen Schweigens lachte das Mädchen laut auf. Dann dachte ich, dies sei eigentlich ein sehr lustiges Gesicht. Alles in diesem Gesicht war leicht geschwungen, die dunklen Brauen über den braunen Augen, die Nase und die hübschen Mundwinkel. Das Mädchen sagte: »Nicht meine richtige Tante. Und das wird Ihnen nicht besonders gefallen. Was ich meinte, war, daß Ihr Gatte mein Onkel ist. Ich bin Tony Smale!«
»Tony Smale«, wiederholte ich langsam und nachdenklich, und dann ging mir ein Licht auf. Nach dem Tode seiner Mutter, die wenige Jahre nach unserer Heirat gestorben war, blieb Pauls Schwester Claudia, die in Sydney wohnte, als seine einzige nahe Verwandte zurück. Ich hatte sie nie kennengelernt, wußte aber, daß sie einen erfolgreichen Geschäftsmann geheiratet hatte. Später hatte es Schwierigkeiten gegeben, und die beiden hatten sich scheiden lassen. Aber außer der Nachricht von der Scheidung hatte ich keine weiteren Einzelheiten erfahren und wußte, daß Paul über die ganze Sache nicht gerne sprach. Claudia war nach ihrer Heirat nur noch einmal in Neuseeland gewesen, bevor ich Paul kennengelernt hatte. Aber ich wußte, sie war wesentlich älter als mein Mann. Ich nahm mit Recht an, daß zwischen den beiden Geschwistern keine besonders engen Bande bestanden. Paul hatte zwei Wochen mit ihr und ihren beiden Kindern, einem aufgeweckten Jungen und einem hübschen Mädchen, verbracht. Plötzlich fiel mir ein, daß ich ihn einmal danach gefragt hatte, was für ein Mädchen Antonia sei. Er hatte kurz und bündig erklärt: »Nur eine Handvoll. Unansehnlich. Rotes Haar und Sommersprossen.« Aber die Sommersprossen waren verschwunden. Das rote Haar war inzwischen kastanienbraun, und dieses Mädchen war ganz sicher nicht unansehnlich. Man konnte sie auch nicht gerade mehr eine Handvoll nennen. Sie sah jung und hilflos aus. Ich brauchte nur einen Augenblick, um mich wieder zusammenzureißen; dann meinte ich warmherzig, wie ich hoffte: »Ach, du bist ja Antonia! Welch eine Überraschung. Wie nett, dich hier bei uns zu sehen. Aber, aber, wo ist deine Mutter?« Ein wenig verstört schaute ich mich um, so, als würde Claudia sich hinter einem der Büsche verstecken. Tony lachte. »In Melbourne, hoffe ich«, sagte sie kurz. Irgend etwas in dem Ton, den sie anschlug, verführte mich dazu, dumm daherzureden. »Ach, dann bist du also alleine gekommen. Aber warum hast du uns vorher nicht geschrieben? Wie hast du es geschafft, bis vor unsere Haustür zu kommen?... Ach, Liebling, wie ich doch daherschwätze, aber das
Weitere Kostenlose Bücher