Und abends etwas Liebe
großartig, uns so einfach, und
nur mit einer Adresse in der Tasche, zu finden.«
Sachlich
bemerkte Tony: »Und mit hundert Pfund. Und Susan, ich werde dir und Onkel
bestimmt nicht zur Last fallen. Sofort, wenn die hundert Pfund aufgebraucht
sind, gehe ich an die Arbeit und lasse mich in einem Beruf ausbilden.«
»Hast
du dich entschlossen hierherzukommen, als du von den Plänen deiner Mutter
erfahren hast?« fragte Larry.
»Oh,
Onkel Paul und Tante Susan waren immer schon meine stille Reserve. Irgendwie
glaubte ich einfach, das seien Menschen, die mir liegen werden und bei denen
mein Platz sei.«
Was
konnte ich dazu noch sagen, außer: »Ich freue mich aufrichtig, daß du zu uns
gekommen bist, Tony. Wir alle freuen uns, wenn du bei uns bleibst. Aber wird es
dir denn auch wirklich hier bei uns gefallen? In dieser Gegend ist nicht gerade
sehr viel los, und manches Mädchen würde dieses Leben hassen. Nicht viele junge
Leute und wenig Gesellschaft!«
Ungeduldig
schüttelte Tony den Kopf:
»Aber
die Schule hing mir einfach zum Hals heraus. Sieben Jahre davon, das langte
mir. Immer dieselbe blöde Uniform, die gleichen, alten Lehrerinnen, ewig das
gleiche Essen und die gleichen Lernstunden. Oh, ich mochte die anderen Mädchen
sehr gern. Ich weiß, daß sie mir fehlen werden, aber auch, wenn ich in Sydney
geblieben wäre, hätte ich nicht viel von ihnen gesehen. Denn die meisten dieser
Mädchen kommen vom Land. Die Mädchen aus Sydney besuchen die Schulen in der
Stadt. Aber Mutter mußte für mich eine möglichst weit entfernte Schule
aussuchen, um zu zeigen, daß ihre Tochter ein Internat besucht.«
Claudia
entpuppte sich langsam ganz klar als eine lieblose Mutter. Das Komische an der
ganzen Sache war nur, daß Tony nicht im geringsten verletzt oder verbittert
schien. Sie hatte sich ganz einfach mit den gegebenen Tatsachen abgefunden.
Larry sagte: »Wenn es sich um ein Landinternat handelte, dann ist dir unser
Leben doch sicher nicht fremd. Obwohl sich diese Gegend hier natürlich sehr von
New South Wales unterscheidet.«
Tony
gab zunächst keine Antwort. Sie ging auf das Fenster zu und schaute hinaus in
den herrlichen Sommernachmittag. Es war heiß, und ein leichter Dunstschleier
lag über den Hügeln, die Stufe um Stufe in das tiefblaue Wasser des Pazifik
abfielen. Kaum ein Haus war zu sehen, aber das Tal, das einst karg und rauh
gewesen war, lag blühend vor ihr. Ein Bild des Friedens.
Sie
schaute mich an und lächelte, aber sie war sehr müde, und ich sah, daß sie den
Tränen nahe war. Sie sagte nur: »Hier werde ich mich wohl fühlen. Hier gehöre
ich hin. Aber was wird Onkel Paul dazu sagen?«
Larrys
Blick begegnete meinem. Ja, was würde Onkel Paul sagen? Schließlich war Tonys
Mutter seine Schwester, und die ganze Verantwortung lag bei ihm. Er mochte zwar
für Claudia nicht gerade sehr viel übrig haben, aber konnte er gutheißen, daß
seine Nichte zu Hause ausgerissen war? Trotzdem war es doch sehr komisch, daß
wir von der zweiten Heirat nichts erfahren hatten. Ich wußte genau: Larry würde
Tony voll unterstützen, wie alles, was aufsässig war. Paul aber würde unter
Umständen einen ganz anderen Standpunkt einnehmen. Tony mußte wohl Zeichen von
Zweifel in meinem Gesicht entdeckt haben, denn sie sagte: »Wie ist Onkel Paul
eigentlich? Doch wohl nicht wie Mutter, oder? Oh, Susan, er schickt mich doch
hoffentlich nicht wieder weg, oder? Das wirst du doch sicher nicht zulassen?«
Kaum
hatte sie seinen Namen ausgesprochen, als Paul ins Zimmer trat. Als er die
Fremde sah, stutzte er, und Tony erhob sich und stand da, mehr als in den
Stunden vorher wie ein kleines Schulmädchen. Paul wirkt auf manche Leute so. Er
ist groß, schaut ernst drein und flößt Respekt ein. Hastig bemerkte ich: »Paul,
das ist deine Nichte Tony, Tony Smale.«
Paul
lächelte gelangweilt und geduldig und wandte sich höflich dem Mädchen zu.
»Bitte entschuldigen Sie die witzige Art meiner Frau. Sie und Larry geben sich
manchmal so, wenn sie sich treffen. Diesmal hat sie mich nicht hereinlegen
können. Ich habe nur eine Nichte, und die lebt in Australien.«
»Nicht
mehr«, sagte Larry fröhlich. »Gerade ist sie mit dem Lieferwagen des
Supermarkts hier eingetroffen, sie ist zu Hause ausgerissen.«
Das
haute Paul wirklich fast um, und langsam wiederholte er die Worte: »Ausgerissen....
der Lieferwagen des Supermarkts... Was redet ihr da eigentlich für ein dummes
Zeug?«
Ich
versuchte, ihm die ganze Geschichte zu erklären.
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