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Und alles nur der Liebe wegen

Und alles nur der Liebe wegen

Titel: Und alles nur der Liebe wegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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suchen auch noch einen lyrischen Sopran. Das wäre etwas für dich! Du singst die Jungen doch an die Wand. Lucia, es geht aufwärts! Komm mit! Dich schickt wirklich der Himmel!«
    »Laß mich, Henk.« Lucia stieß ihn vor die Brust. »Es ist jetzt alles anders. Du bedeutest mir nichts mehr.«
    »Sag das noch einmal.« Beljonow atmete tief auf.
    »Seit einiger Zeit weiß ich, was mir Ludwig, was mir meine Familie bedeutet. Ich muß verrückt gewesen sein, als ich mir einbildete, mit dir leben zu können. Geh mir aus dem Weg! Daß ich ausgerechnet dich hier treffen muß!«
    Beljonow sah sich schnell um. Die Nische hatte einen Vorhang. Wenn man ihn vorzog, sah niemand, was dahinter geschah. Mit einem Ruck riß er die Samtportiere vor die Nische. Von der Bar beachtete man sie nicht, auf der erleuchteten Tanzfläche drängten sich die Paare eng aneinander. In der dunklen Nische waren sie allein wie auf einer fernen Insel.
    »Du bist ein Luder«, sagte Beljonow dumpf, »ein gemeines Luder! Mein Vater hat mir erzählt, daß man Frauen wie dich in Rußland in den Fluß jagte, auspeitschte oder in die Wälder zu den Wölfen trieb. Hier gibt es leider keine Wölfe!«
    »Laß mich gehen!« zischte Lucia. »Mein Gott, muß ich blind gewesen sein, daß du mich überhaupt anfassen durftest! Wenn du mir nicht aus dem Weg gehst, schreie und trete ich!« Erst jetzt merkte sie, daß der Vorhang zugezogen war. Über ihr Gesicht huschten Schrecken und Angst. »Was soll das?« rief sie. »Hilfe!«
    Aber niemand konnte sie hören, es war zu laut in der Bar. Beljonow beugte sich zu Lucia vor. Sein dickes Gesicht war verzerrt. Mit einem Ruck fuhren seine Finger vor und legten sich um ihren Hals. Lucia wehrte sich. Sie schlug auf Beljonow ein, sie hämmerte ihm ins Gesicht, aber der Druck seiner Finger wurde immer stärker. Todesangst überfiel sie, und als sie zwischen zwei Hieben seine Augen sah, erkannte sie, daß er von Sinnen war, daß er wirklich imstande sein könnte, sie zu erwürgen, hier in der halbdunklen Bar, hinter einem Vorhang, in einer Nische, wo niemand sie sah. In ihr wuchsen ungeahnte Kräfte. Mit einem wilden Ruck befreite sie sich von seinen Fingern; es war ihr, als zerbrächen ihre Nackenwirbel, aber sie bekam Luft. Mit der flachen Hand schlug sie ihn ins Gesicht.
    »Du Aas«, stammelte Beljonow, »ich bringe dich um! Und wenn du an den Nordpol flüchtest – ich bringe dich um!«
    Lucia riß den Vorhang zur Seite und trat in das halbdunkle Lokal zurück. An der Bar lärmten zwei Herren und steckten der Bardame Geldscheine in den Ausschnitt. Die diskreten Kellner schwebten wie Schatten zwischen den Tischen und Nischen. Niemand hatte bemerkt, was hinter dem Vorhang geschehen war.
    Lucia ordnete ihre Haare, so gut es ging, und verließ schnell die Kellerbar. Nach Beljonow drehte sie sich nicht mehr um; er stand noch in der Nische, schwer atmend, den Mund halb aufgerissen. Mit rotumränderten Augen starrte er ihr nach. In seinem Innern tobte unbeschreibliche Wut.
    Übermorgen vorsingen, im Gärtnerplatztheater, das war das nächste Ziel. Dann war er oben. Der Buffo, der sich allen ins Herz sang! Dann lagen ihm die Frauen zu Füßen. Mußte es gerade Lucia sein? Er lehnte den Kopf an die Wand. Plötzlich überfiel ihn Grauen vor sich selbst. Ich hätte sie getötet, dachte er, und warum? Der Verstand muß mich verlassen haben. Er wischte sich über das Gesicht. Seine Hände zitterten. Mein Gott, dachte er, ich hätte sie fast umgebracht. Ich bin doch kein Mörder. Ich bin nur ein Mensch, den ab und zu die Leidenschaften überwältigen. Ich bin nicht schlecht. Ich bin nur allein und einsam und suche Ruhe – und Liebe, wirkliche Liebe.
    Langsam kehrte er zur Bar zurück und setzte sich vorsichtig auf einen der hohen Hocker.
    Die zwei Herren, mit denen er vorher getrunken hatte, schlugen ihm lachend auf die Schulter und blinzelten ihm zu. »Wo ist die Kleine?« riefen sie. »Das war nicht nett von Ihnen, mein Lieber, sie uns vorzuenthalten! Warum dieses Versteckspiel?« Sie stießen Beljonow gutmütig in die Seite.
    Der Sänger starrte vor sich hin, dann rutschte er vom Hocker und warf einen Geldschein auf die Theke. »Idioten«, sagte er laut und ging.
    »Laß ihn!« Der eine Herr hielt den anderen fest, der hinter Beljonow her wollte, um ihn zur Rede zu stellen. »Laß ihn, Willem.«
    Lucia drückte leise die Tür zu ihrem Hotelzimmer auf. Karin schlief fest. Auf Zehenspitzen ging Lucia zu dem Bett und setzte sich

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