Und alles nur der Liebe wegen
schon getan; Dr. Rudolph hat in Köln angerufen.«
»Und sie kommt?«
»Ich denke doch«, erwiderte die Schwester mit einem erstaunten Unterton.
»Oh, dann wird alles gut werden.« Monika streckte sich in dem kühlen weißen Bett. »Dann ist alles gut.« Und sie schlief wieder ein.
Dr. Hembach saß in seiner kleinen Wohnung gemütlich im Sessel, trank eine Flasche Bier und las in einer Illustrierten einen Bericht über Asien, als es draußen an der Tür klingelte. Er sah auf die Kuckucksuhr an der Wand – ein Geschenk seines Onkels, der im Schwarzwald wohnte und ihm das Studium bezahlt hatte – und stellte fest, daß um diese Zeit eigentlich niemand mehr zu kommen pflegte. Außerdem war bekannt, daß er sich mit seinem Kurs in St. Wolfgang aufhielt; daß er infolge außergewöhnlicher Umstände zurückgekehrt war, hatte sich noch nicht herumgesprochen. Er sprang auf, schlüpfte in die Jacke und öffnete.
Vor der Tür, in dem nüchternen Flur, stand Karin Etzel und lächelte ihn an.
»Sie?« Dr. Hembach blieb überrascht in der Tür stehen.
»Ja, ich! Das klingt aber nicht erfreut.« Karin hob sich auf die Zehenspitzen und blickte über die Schulter Dr. Hembachs in die kleine Wohnung.
»Sie zu sehen ist auch keine reine Freude«, erwiderte Dr. Hembach abweisend. »Was wollen Sie?«
»Muß das im Flur sein?«
»Ich bin beschäftigt.«
»In den Ferien?«
»Ich treibe Privatstudien.«
»Oh, wie interessant.« Karin lächelte ihn an. »Ich wollte mich auch nur entschuldigen.«
»So? Wofür?«
»Wegen des Fotos.« Sie sprach lauter, als sie im Flur eine Tür aufgehen sah. Auch Dr. Hembach sah es. »Sie wissen, Herr Doktor, als wir engumschlungen tanzten.«
Dr. Hembach trat schnell zurück und zog Karin mit einem Ruck in die kleine Wohnung. Wütend knallte er die Tür zu. »Sie haben ein Benehmen«, schimpfte er, »ich muß schon sagen …«
Karin ging beschwingt in die Wohnung und sah sich um, betrachtete die ledernen Sessel, die Teppiche und die drei alten Stiche, die Dr. Hembach auf einer Kunstauktion ersteigert hatte. »Sie haben es richtig gemütlich hier, Herr Doktor«, stellte sie fest, »so gar nicht wie ein Junggeselle.«
Dr. Hembach preßte die Lippen zusammen. »Sie scheinen ja Erfahrung in Junggesellenwohnungen zu haben«, sagte er ironisch. »Also, was führt Sie zu mir?«
»Nichts.« Karin lachte ihn an und setzte sich mit Schwung in einen der Ledersessel.
Dr. Hembach wandte sich ab. »Wenn Sie nur die Neugier hierher getrieben hat, so habe ich Ihnen etwas zu sagen!« Er trat an das Fenster und blickte auf die stille Vorstadtstraße hinunter. »Ich möchte – bevor ich mit Ihrem Vater spreche – Ihnen die Chance geben, mit Ihrem Vater zu sprechen. Ich möchte nämlich vorschlagen, daß Sie die Schule verlassen.«
»Warum?« Karin lehnte sich im Sessel zurück. Plötzlich war sie ernst. Sie wußte: Jetzt fiel eine große Entscheidung.
»Ihre schulischen Leistungen sind miserabel. Ihr Zeugnis wird fürchterlich.«
»Und wenn ich bis dahin aufhole?«
»Kein Zweifel, daß Sie es könnten, Karin, aber Sie werden später genauso wenig Lust dazu haben wie jetzt. Sie sind geistig und körperlich kein Schultyp mehr. Sehen Sie sich im Spiegel an – sieht so ein Schulmädchen aus?«
»Gefällt Ihnen das nicht?« Karin lehnte den Kopf zurück.
»Nein!« erwiderte Dr. Hembach grob.
»Ist Ihnen ein Mädchen, das aussieht wie eine saure Gurke, lieber, Herr Doktor? Etwa die Marlies Heinicke aus unserem Kurs? Die sieht jetzt schon aus wie ihre Großmutter.«
»Und sie ist die Beste des Kurses.«
»Was hat sie später davon?«
»Sie wird studieren.«
»Und nie einen Mann bekommen. Ist das ein Leben?«
Dr. Hembach schwieg.
»Herr Doktor«, Karin beugte sich etwas vor, »wir haben Sie alle immer für einen jungen, aufgeschlossenen, modernen Lehrer gehalten, mit dem wir über alles sprechen können.«
»Verbindlichsten Dank«, sagte Dr. Hembach unsicher. Er drehte sich um. Karin Etzel in dem schwarzen Sessel war ein hinreißender Anblick. Siebzehn Jahre jung ist sie erst, dachte er verwirrt.
»Haben wir uns getäuscht, Herr Doktor?«
»Was wollen Sie wissen, Karin?«
»Muß eine Frau neunmalklug sein?«
»Nein, einmal genügt.«
»Eins zu null für Sie!« Karin lachte.
Dr. Hembach ging in dem Zimmer herum, als sei er aufgezogen und müsse laufen, bis das Uhrwerk abgeschnurrt sei.
»Ich habe sowieso vor, nach der elften Klasse abzugehen. Den ganzen Mathekram bis zum Abitur tue ich mir
Weitere Kostenlose Bücher