Und dann kam Ute (German Edition)
wollte. Daraufhin hast du mich mit einer leeren Milchtüte bedroht und dauernd davon gefaselt, dass du unbedingt nach Hamburg musst. Ich hab mir dich dann unter den Arm geklemmt und wollte dich nach Hause bringen. Aber als ich kurz an der Apotheke anhielt, um dir Kopfschmerztabletten zu besorgen, hast du mir meine eigene Taschenlampe über den Schädel gekloppt und versucht, mit meiner Karre abzuhauen. Gott sei Dank warst du schon so voll, dass du den Zündschlüssel nicht mehr umdrehen konntest.»
Oh Mann, oh Mann. Ich war entsetzt. Erst jetzt sah ich die fette Beule auf Birkels Stirn. Mein Gott, war das peinlich. Ausgerechnet Birkel. Der Typ war 1,98 Meter groß, Hände wie ein Braunkohlebagger. Unvergessen, wie er vor zwei Jahren die albanische Rugby-Nationalmannschaft, die sich in seinem Laden nicht benehmen konnte, im Alleingang aufgemischt hat. Und ausgerechnet diesem Brocken hatte ich eine Taschenlampe über den Kopf gezogen! Dass ich überhaupt noch lebte, verdankte ich nur seinem guten Herz und unserer alten Freundschaft. Stark verkatert und immer noch etwas ungläubig, setzte ich mich neben ihm aufs Bett:
«Ist ja alles schön und gut, Birkel … und das tut mir echt leid, aber wo sind wir?»
«Ja, warte ab. Kommt noch. Nachdem ich dich wieder auf den Beifahrersitz geschnallt hatte, hast du mir dein Herz ausgeschüttet und mir die ganze Geschichte erzählt. Dass du so ’ne Ute liebst und so weiter. Dass ihr Exmacker sie dir wegnehmen will und dass du nach Hamburg musst, um ihn abzumurksen. Da hab ich mir gedacht, bevor noch ein Unglück passiert, fahr ich mal lieber selbst mit dir nach Hamburg und pass auf dich auf. Außerdem ist das hier ja auch mein altes Revier, und ich kann dir vielleicht helfen. Tja, und jetzt sind wir im Hotel Monopol auf der Reeperbahn.»
«Ach du Scheiße, Birkel, es tut mir alles so leid! Wie kann ich das wiedergutmachen? Mann, du bist ein wahrer Kumpel. Was ist denn eigentlich mit der Beule an deinem Kopf? Tut das weh? Sollen wir nicht lieber mal zum Arzt?»
Der Lange schüttelte den Kopf, stapfte ins Badezimmer und drehte die Dusche auf.
Ich saß immer noch auf dem Bett und zermarterte mein vom Alkohol gebeuteltes Gehirn. So langsam tauchten einige Erinnerungen der letzten vierundzwanzig Stunden auf. Wir waren also in einem Hamburger Hotel, so viel war klar. Mir fiel auch wieder ein, dass ich noch mit Utes Mutter Maria in Bremen telefoniert hatte. Krampfhaft versuchte ich mich an das Gespräch zu erinnern. Hamburg. Hamburg … Arzt … Thorsten. Richtig, das war es! Der Typ war Arzt, Arzt in Hamburg. Jetzt erinnerte ich mich auch, dass Ute mir das mal erzählt hatte, als ich sie nach Philipps leiblichem Vater fragte.
«Birkel, ich hab’s. Es ist ganz einfach. Wir müssen einen Arzt in Hamburg suchen, der Thorsten heißt.»
Er trocknete sich ab und schüttelte den Kopf.
«Ja nee, Schröder, is’ klar. Dann ist es ja wirklich ganz einfach. Das sind ja höchstens hundert. Du hast doch ’ne Meise.»
«Quatsch nicht, Birkel, du guckst zu wenig Filme, weil du immer nur deine Bumserei im Kopp hast. Gib mir das Telefonbuch von Hamburg, und in fünf Minuten haben wir den Penner.»
«Telefonbuch? Vielleicht solltest du mal ein paar neue Filme gucken, Herr Schröder. Darf’s vielleicht auch ein iPhone mit Internetzugang sein? Mann, wir leben im 21. Jahrhundert!»
Fünf Minuten später mussten wir uns zwischen drei Adressen entscheiden. Als Erstes fuhren wir mit Birkels Hummer zum Zahnarzt Dr. med. dent. Thorsten Neumann in Blankenese. Wir müssen ein Bild für die Götter geboten haben: Zwei abgerissene Typen entern eine topmoderne Zahnarztpraxis an der piekfeinen Elbchaussee, der eine so groß wie der Kölner Dom und mit ’ner blauroten Beule wie ein Nashorn, der andere ein bekannter deutscher Komiker, versoffen und verkatert wie der letzte St.-Pauli-Lude. Die drei Arzthelferinnen hinter dem weißen Designertresen sahen aus wie die zukünftigen Gewinnerinnen von «Germany’s Next Topmodel». Erstaunlich freundlich fragte die blondeste der drei Blondinen: «Guten Tag, Herr Schröder. Haben Sie unter der Alsterbrücke geschlafen, oder drehen Sie gerade für ‹Notruf Hafenkante›?»
Ich setzte meine schönste Leidensmiene auf, blinzelte mit einem Auge auf ihr Namensschild, das neckisch auf ihrer hinreißend geformten rechten Brust wogte, hielt mir die Wange und nuschelte: «Ach, Frau Tenhagen … Ihr Anblick lindert meine Schmerzen ein wenig, aber ich glaube, es
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