Und dann kam Ute (German Edition)
gerade runter zu Utes Wohnung, als Madame schon klopfend vor meiner Tür stand. «Ja, Mensch, Ute, was für ein schöner Zufall. Ich wollte gerade zu euch runterkommen. Ich hab doch noch euer Weihnachtsgeschenk hier liegen. Da kommst du nie drauf, was das sein könnte – pass auf, das haut dich von den Socken.» Ich strahlte siegesgewiss. Sie feixte zurück und streichelte mir über den Bauch. Ich war schwer begeistert.
«Ja, guten Tag, du Weihnachtsmann. Hast du die tollen Tage gut überstanden? Warst du auch weg oder nur bei deiner Mutter? Immerhin bist du nicht dicker geworden. Der Jogger sitzt ja wie angegossen. Ich geb dir einen guten Tipp für deine Karriere, mein Mausebär: Wichtig ist, dass dich keiner so rumlaufen sieht.»
Gutgelaunt gingen wir in die Küche. Ich machte uns zwei amtliche Caffè Latte und schnitt den Kuchen an.
«Na, Frau Waldorf, du bist aber gut drauf – oder juckt dir bloß der Bioland-BH?»
«Das hättest du wohl gern, du Lustmolch. Aber du hast recht, ich bin wirklich gut drauf. Das waren schöne Tage bei meiner Mutter. Philipp war jeden Morgen mit ihr unterwegs, und ich durfte immer ausschlafen.» Sie sah wirklich sehr erholt aus. Mehr als das … sie sah sogar richtig gut aus. Frisch aus dem Ei gepellt, zum Anbeißen lecker.
«Jahaaa, liebste Ute – und damit das mit der Entspannung auch schön so weitergeht, spendier ich uns dreien eine Extraportion Spaß und gute Laune im Center Parc Hochsauerland. Hammer, oder? Da bist du baff, wa’?» Triumphierend hielt ich ihr die Reservierung samt Prospekt unter die Nase: «Am nächsten Wochenende geht’s schon los!»
Ihre Reaktion traf mich völlig unvorbereitet. Man musste kein Türsteher sein, um ihren Gesichtsausdruck richtig zu deuten. Echte Begeisterung sieht anders aus. Ihre Stimme klang gedrückt: «Mmmh, ja, äh … danke. Aber, äh … du … äh … eigentlich sind wir nächstes Wochenende gar nicht da. Deshalb wollte ich dich ja fragen, ob du nicht am Freitag den Heizungsonkel zum Ablesen reinlassen kannst.»
Ich konnte gar nicht glauben, was ich da hörte. Erstaunt fragte ich nach: «Ja wie, nicht da? Hä? Wo seid ihr denn?»
«Ja weg, Atze. Wir sind nicht da.»
«Ja, wie weg? Dann verschieb das doch. Ich hab das doch jetzt fest gebucht.»
Nicht gerade das stärkste Argument, das musste ich zugeben. Und richtig, Madame haute es mir auch gleich um die Ohren:
«Na, dann stornierst du das eben wieder. Ich kann unsere Angelegenheit nicht verschieben. Tut mir leid.»
Eigentlich spüre ich meistens, wenn Ute nicht mehr diskutieren will. Dann kann sie ziemlich kühl und emotionslos werden. Normalerweise hilft es dann, sie mit irgendeinem Spruch wieder zum Lachen zu bringen – aber leider fiel mir in der Situation keiner ein. Stattdessen machte ich einen auf beleidigte Spendierhose und fing an nachzutreten.
«Ja wie, was, tut mir leid? Stornieren? Das geht doch nicht so einfach. Außerdem – frag doch mal Philipp, was er lieber möchte: mit mir im Center Parc die große Wasserrutsche runterkacheln oder mit Mutti auf ein anthroposophisches Tanzteeseminar nach Bad Driburg gehen?»
Ich hatte es noch nicht ganz ausgesprochen, da wusste ich schon, dass das ein großer Fehler war. Schade, dass man Sätze nicht einfach zurückspulen kann. Plötzlich wehte ein eisiger Wind durch meine Küche.
«Was ist denn das für eine Unverschämtheit? Sag mal, tickst du noch ganz richtig? Was weißt du denn überhaupt, wo wir hinwollen? Zum letzten Mal, Atze – hör endlich auf mit deinen unflätigen Bemerkungen über meinen Beruf und meine Lebenseinstellung. Vielleicht respektierst du meinen Job mal so wie ich deinen. Und außerdem – ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, aber Center Parcs sind so ziemlich das Letzte, wo ich meine Freizeit verbringen möchte.»
«Waaas? Was soll das denn jetzt? Komm mal runter, Frau Peymann! Center Parcs sind doch wohl absolut super. Die sind nämlich auch total Bio.»
Ich nahm die Broschüre und las wütend vor: «Ein Aufenthalt bei Center Parcs entfaltet sich im Zeichen der vier Elemente. Jedes davon lässt sich auf vielfältige Art erleben: Entdecken Sie Erde, Feuer, Wasser und Luft!» Siegesgewiss warf ich den Prospekt auf die Kuchenplatte und schnaubte: «Na bitte. Mehr Bio geht ja wohl nicht.»
Mühsam beherrscht und betont ruhig sah Ute mich an: «Sag mal, machst du das eigentlich extra? Macht dir das Spaß, oder bist du wirklich so dumm, dass du den Unterschied zwischen dem, was du
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