"Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen" - der Unternehmer Axel Springer
Bucerius, Jahr und Gruner eine gänzlich andere Strategie und verstärkten in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre ihre unternehmerische Zusammenarbeit. Springer, der sich bereits in den 1950er-Jahren in persönlicher, unternehmerischer und politischer Hinsicht von der sogenannten »Hamburger Kumpanei« abgekoppelt hatte, maß dem entstehenden Bündnis wenig Bedeutung zu, ohne zu ahnen, welche verlegerische und politische Konkurrenz aus dem Zusammenwirken erwachsen sollte. In den 1960er-Jahre entstand aus der Kooperation der »Hamburger Kumpanei« nicht nur das Zeitschriftenhaus Gruner & Jahr, das eines Tages im Verbund mit Bertelsmann Springer von seiner verlegerischen Spitzenposition verdrängen würde; es formierten sich mit Bucerius und Augstein auch mächtige Gegenspieler, die in den politischen Auseinandersetzungen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts einen verhängnisvollen Einfluss auf die öffentliche Meinung entwickeln sollten.
Ein Ausgangspunkt dieser Entwicklung war ein Verlagsvorhaben Augsteins, der Ende 1959 begonnen hatte, die Herausgabe einer Wochenzeitung mit dem Titel
Deutsche Allgemeine Zeitung
148 vorzubereiten. 149 Der Zeitpunkt für die Verwirklichung des langgehegten Traums war günstig: Der
Spiegel
warf erstmals Gewinne ab und schuf die finanzielle Basis für ein kostspieliges Zeitungsprojekt. Zudem verfügte Augstein über eine renommierte Redaktionsmannschaft, die zum Großteil aus ehemaligen
Welt
-Redakteuren bestand, die das Blatt aus Unzufriedenheit über den verlegerischen Kurs und die redaktionelle Führungsschwäche verlassen hatten. Springer, der weder die Abwerbungsversuche tolerieren, noch weitere Konkurrenz für die eigenen Zeitungsobjekte dulden wollte, reagierte mit Widerstand. Im Januar 1960 berief er sich auf Titelansprüche des Ullstein-Verlags und erhob den Namenszug »Deutsche Allgemeine Zeitung« zum Untertitel der
Welt
. 150 Es folgten juristische Auseinandersetzungen, die Mitte 1960 aus unbekannten Gründen in einer gütlichen Einigung mündeten. 151 Ein weiterer Titelstreit Augsteins, in diesem Fall mit dem Kölner Schwab-Verlag, endete allerdings in einer gerichtlichen Niederlage, woraufhin der
Spiegel
-Verleger das weit gediehene Zeitungsprojekt auf Eis legte. 152 Endgültig begraben wurde das ambitionierteVerlagsvorhaben schließlich mit den sogenannten »Bendestorfer Verträgen«: Augsteins Mitgesellschafter Jahr hatte sich Anfang 1960 zum Verkauf seiner
Spiegel
-Anteile entschlossen, nachdem er von Springer die letzten ausstehenden Anteile am Constanze-Verlag erworben hatte und nun frisches Kapital für die weitere Zeitschriftenexpansion benötigte. 153 Zudem war Jahr nicht bereit, die Zeitungspläne des
Spiegel
-Verlegers mitzutragen. Nachdem Augstein sein Vorkaufsrecht mangels ausreichender Mittel nicht wahrnehmen konnte, übernahmen der
Stern
-Anteilseigner Gruner und der
Zeit
-Verleger Bucerius je zur Hälfte für insgesamt 10 Millionen Deutsche Mark Jahrs 50-prozentige Beteiligung am
Spiegel- Verlag
. 154 Im Gegenzug ließ sich Augstein 25 Prozent am Zeit-Verlag einräumen. Das Vertragswerk, das im August 1960 im niedersächsischen Bendestorf unterzeichnet wurde, sah neben der Überkreuzbeteiligung den Verzicht auf die Herausgabe von Konkurrenzprodukten vor. Damit blieb Augstein die Publikation einer Wochenzeitung vorerst verwehrt.
Mit der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung von
Spiegel
,
Stern
und
Zeit
war Augstein einem wichtigen persönlichen Ziel nähergekommen: der Schaffung einer verlegerischen Allianz gegen Springer. Mit Nachdruck warb er Anfang der 1960er-Jahre bei Jahr, Gruner und Bucerius für die Gründung eines gemeinsamen Verlagsunternehmens: »Wir repräsentieren persönlich und quantitativ ein Verlagspotential, das sich sehen lassen kann, sogar verglichen mit dem Springers, dessen schöpferisches Ingenium uns allerdings abgeht. Wir sind verrückt, wenn wir nicht alles tun, um den Konzern auf die Beine zu stellen.« 155 Bevor eine solche Vision Wirklichkeit werden konnte, kam es im Laufe des Jahres 1961 zwischen Augstein und Bucerius zum Eklat. 156 Ein berühmt gewordener Briefwechsel über redaktionelle Fragen machte unmissverständlich deutlich, dass keine der beiden eigenwilligen Verlegerpersönlichkeiten bereit war, die eigene publizistische Autonomie zugunsten eines Gemeinschaftswerkes aufzugeben. Nach monatelangen Verhandlungen lösten Augstein und Bucerius im April 1962 ihre Überkreuzbeteiligung. 157 Zurück blieb ein tiefes
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