Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
ANKUNFT
»Mittagessen!«, rief Isabelle aus der Küche. Martin lächelte zufrieden und legte den Lötkolben zur Seite. Die Schaltung funktionierte, eine Steuerung für das Aquarium. Vergnügt blinzelte er den Fischen zu, die im Glaskasten in der Ecke ihre Kreise zogen.
»Bald bekommt ihr euer Futter automatisch«, sprach er zu ihnen. »Das wird ein richtiges Festessen.« Er lächelte zufrieden.
»Mittagessen!«, rief Isabelle nochmals.
»Ich komme«, rief er zurück, dann wurde es plötzlich schwarz vor seinen Augen.
Als er aufwachte, hatte sich sein Bastelzimmer auf drastische Weise verwandelt. Lötkolben und Messgeräte waren verschwunden, dafür standen unbekannte Apparate auf dem Tisch, die aussahen wie aus einem technischen Museum. Auch das Mobiliar war auf einen Schlag gealtert und anstelle des Posters mit dem Cadillac hing nun ein Bild an der Wand, auf dem ein Luftschiff zu sehen war.
Martin saß belämmert auf seinem Stuhl und begriff die Welt nicht mehr. Ungläubig starrte er auf die seltsamen Gerätschaften. Die Platine mit der Aquarium-Steuerung war verschwunden. An ihrer Stelle lag ein seltsames Ding auf dem Tisch, das aussah wie eine Kreuzung aus einem uralten Vorderlader und einer Waffe aus einem Science-Fiction Film. Nur das Aquarium war immer noch da. Zwar hatte es jetzt einen Rahmen aus poliertem Messing anstelle des Edelstahls, doch die Fische waren immer noch die gleichen.
»Komm endlich!«, hörte er Isabelle aus der Küche, »das Essen wird kalt.«
»Ich spinne«, murmelte Martin verstört und kniff die Augen zusammen. Eine wilde Folge unwahrscheinlicher Szenarien raste durch seinen Kopf. Von der Schaltung, die zu einer Zeitmaschine geworden war, bis zu einem Spaß mit versteckter Kamera. Er hatte schon als kleiner Junge eine blühende Fantasie besessen und auch heute, mit 33 Jahren, las er am liebsten SF-Romane und schaute futuristische Filme. Auch bei seinen vielen Tüfteleien machte sich sein Hang zum Fantastischen bemerkbar. Es war noch keinen Monat her, da hatte er seine Nachbarn durch einen Laserstrahl aufgeschreckt, den er auf den Hügel auf der anderen Seite des Tals gerichtet hatte. Er hatte seine liebe Mühe gehabt, sein Treiben der angerückten Polizei zu erklären. Dabei hatte er doch nur Musik mit dem Lichtstrahl übertragen wollen. Irische Volksmusik, um genau zu sein.
Sein Hang zur Tüftelei machte ihn zum Sonderling und das war wohl der Hauptgrund, wieso er mit seinen 33 Jahren noch zu Hause bei seiner Stiefmutter wohnte und nicht einmal eine Freundin hatte.
»Martin, komm jetzt, du kannst nachher weiterbasteln«, rief Isabelle von der Küche her. Was sie wohl sagen würde, wenn sie die Veränderungen in seinem Zimmer sehen könnte? Vermutlich würde sie den Kopf schütteln, resigniert seufzen und ihn fragen, was er jetzt wieder mit seinen Apparaten angestellt habe. Doch genau das fragte er sich jetzt auch. Und die möglichen Antworten gefielen ihm allesamt nicht. Denn was er auch angestellt hatte, es schien etwas mit der Vergangenheit zu tun zu haben. Er hätte aber viel lieber einen Blick in die Zukunft geworfen.
Grübelnd erhob er sich von seinem altertümlich aussehenden Stuhl, der noch vor kurzem ein moderner Bürosessel gewesen war, und trottete Richtung Küche.
»Bin schon auf dem Weg«, wollte er im Korridor rufen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Anstelle des Telefons ragte ein metallener Trichter aus der Wand und die Funk-Uhr auf der Kommode hatte sich in eine Art Kunstwerk verwandelt. Unter einer gläsernen Glocke war eine komplizierte Mechanik mit einer Unmenge an feinen Zahnrädern und Federn zu sehen. Aber auch die Kommode selbst hatte sich in ein Möbelstück aus dem vorletzten Jahrhundert transformiert. Dabei war sie nach seinen Begriffen schon vorher ziemlich antik gewesen.
»Ich träume«, sagte er zu sich selbst. Ja, vermutlich war das die Lösung. Diese Erklärung war besser als alles andere, was ihm bisher durch den Kopf gegangen war. Doch als er sich zur Probe in den Unterarm kniff, verwarf er diesen Gedanken wieder. Der Schmerz schien echt. Kopfschüttelnd betrat er die Küche mit dem kleinen Tisch, der gerade zwei Personen Platz bot. Dort erwartete ihn ein weiterer Schock und ließ ihn vollends an seinem Wahrnehmungsvermögen zweifeln.
Die Einrichtung der Küche hatte sich ebenso verändert wie sein Bastelzimmer und der Korridor. Anstelle der gewohnten Küchengeräte erblickte er Dinge, deren Verwendungszweck rätselhaft
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