"Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen" - der Unternehmer Axel Springer
Twen
fiel für 100.000 Deutsche Mark dem Kindler & Schiermeyer-Verlag zu, der dem Objekt in den folgenden zwei Jahren zu einer Auflagenverdoppelung verhelfen sollte, ohne es jedoch aus der Verlustzone führen zu können. Gleichzeitig erwarb Kindler & Schiermeyer für die gleiche Summe die beiden Jugendzeitschriften
Ok
und
Wir
vom Heinrich-Bauer-Verlag, der mit diesem Schritt vermutlich die Übernahme und Konsolidierung der beiden Illustrierten
Revue
und
Quick
finanzierte. 483 Unverzüglich ließ Kracht die beiden Schwesterblätter unter dem Titel
Ok
zusammenlegen, bevor
Ok
wohl aus finanziellen Gründen im April 1967 mit dem Jugendmagazin
Bravo
fusioniert wurde. 484 Ende 1966 setzte er seinen Expansionskurs im Zeitschriftenbereich fort, als er die Dortmunder Deutsche Wochenzeitschriften-Verlag GmbH mit der Programmzeitschrift
Funk Uhr
von der Westfälischen Verlagsgesellschaft und Heinrich Becker erwarb. 485 Die
Funk Uhr
, deren Verlagsbetrieb einige Monate später aus steuerlichen Gründen an die Muttergesellschaft Axel Springer & Sohn nach Hamburg verkauft wurde, verzeichnete in den folgenden Jahren ein stetiges Auflagenwachstum von 760.000 Exemplaren im Jahr 1966 auf über 2,6 Millionen Anfang der 1980er-Jahre. 486 1968 erwirtschaftete die
Funk Uhr
ein Betriebsergebnis von rund einer Million Deutsche Mark. 487 Kurz vor dem Erwerb der
Funk Uhr
hatte Kracht vom Deutschen Wochenzeitschriften
-
Verlag die Boulevard-Postille
Das Grüne Blatt
übernommen, die alsbald mit dem
Neuen Blatt
fusioniert wurde. 488
In den Bilanzen von Kindler & Schiermeyer hinterließ Krachts forcierter Expansionskurs deutliche Spuren. Überdies durchlebte das wirtschaftliche Rückgrat des Münchener Verlagshauses, die Jugendzeitschrift
Bravo
, 1966 eine Schwächephase mit Auflagenverlusten. 489 So wandelte sich bei Umsätzen von 50 Millionen Deutsche Mark der Jahresüberschuss von drei Millionen in einen Fehlbetrag von rund 5 Millionen Deutsche Mark. 490 Allerdings hellte sich die verlegerische Situation im Folgejahr wieder auf. 491 Die Verkaufsauflage von
Bravo
legte um 15 Prozent zu, während der Absatz des
Eltern - Magazins
um 61 Prozent wuchs und die
Twen
-Auflage sich auf niedrigem Niveau verdoppelte. Im März 1967 initiierte Kracht die Konzeption eines neuartigen Lifestyle-Magazins für junge Menschen. 492 Mit einem Investitionsbudget von geschätzten 10 Millionen Deutsche Mark gehörte das Verlagsvorhaben in der damaligen Bundesrepublik zu den aufwendigsten seiner Art. 493 Auf die weitreichenden Folgen der vielbeachteten Titelgründung wird an späterer Stelle noch eingegangen. Weniger erfolgreich entwickelte sich der Comic-Titel
Tina
, den Kracht in Lizenz von Fleetway Publications des britischen Verlegers und Springer-Freundes Cecil King auf den Markt gebracht hatte; das Magazin wurde bereits nach wenigen Nummern wieder eingestellt. 494 Der Preis des Münchener Expansionskurses war unverändert hoch. Einweiteres Jahr in Folge musste Springer einen Fehlbetrag von rund 5 Millionen Deutsche Mark ausgleichen. 495 Ungeachtet der Verlustsituation und der inneren Distanz zum Münchener Verlagshaus gab es jedoch zum Jahreswechsel 1967/68 keine Anzeichen, dass Springer den verlegerischen Kurs seines Majordomus in Frage stellte.
Schlussbetrachtungen
Die unzähligen Nachrufe, die Axel Springers im Herbst 1985 gedachten, würdigten vor allem das politische und gesellschaftliche Engagement des Verlegers. Dagegen fand die unternehmerische Lebensleistung, der Aufbau des größten Zeitungshauses der Bundesrepublik mit über 10.000 Beschäftigten und annähernd 2,5 Milliarden Deutsche Mark Umsatz, nur am Rande Erwähnung. Höchstens in kursorischer Form wurde auf die Entstehungsgeschichte des »Mammutverlages« von den Anfängen im Bendestorfer Schweinestall bis zum Aufstieg zu einem der weltweit führenden Medienkonzerne eingegangen. Es dominierte der Blick auf den politischen Menschen, hinter dem der Unternehmer zurücktrat. Erst mit dem Erscheinen der journalistischen Biographien wurde Springers unternehmerisches Wirken in den 1990er-Jahre wieder stärker thematisiert. Anlässlich seines 50-jährigen Jubiläums griff zudem der Verlag das unternehmerische Erbe auf und verarbeitete es in einer unternehmensgeschichtlichen Darstellung. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Springer als Verlagsunternehmer fand hingegen nicht statt. Damit schließt sich der Kreis zum einleitend beschriebenen Anliegen, das unternehmerische Wirken Springers
Weitere Kostenlose Bücher