und das Haus in den Huegeln
Traum“, sagte der hübsche Daniel ganz ruhig. „Vielen von uns hat
der Herr in der ersten Nacht, die wir in diesem Haus verbrachten, im Schlaf
befohlen, unser bisheriges Leben aufzugeben und Sendbote Gottes zu
werden. Halleluja!“
Sandra verschlug es die
Sprache. War sie hier von Verrückten umgeben?
„Ich habe nur Camillas Stöhnen
gehört und ihr schmerzverzerrtes Gesicht gesehen. Und das war kein Traum, sondern
Wirklichkeit!“ sagte sie scharf.
Daniel schüttelte bekümmert den
Kopf. „Dann hat Camilla den Kontakt gestört.“
Sandra stand wortlos auf und
ging zum Tischende, wo Jutta-Judith Platz genommen hatte. „Was wollte der
Hausvater von dir?“
„Pst! Er kommt. Setz dich. Wir
unterhalten uns später“, sagte Jutta-Judith und deutete auf den Stuhl neben
sich.
Rocho führte Camilla herein und
setzte sie auf den freien Platz neben Daniel.
Der Hausvater sprach das
Tischgebet.
Die Mädchen vom Küchendienst
schenkten Tee aus und stellten große, dampfende Schüsseln auf den Tisch. Die
Schüsseln enthielten einen Brei aus geschrotetem Hafer, Leinsamen und Mais. Es
war eine Art Müsli ohne Zucker und Obst.
Sandra fand, daß es fürchterlich
schmeckte. Doch sie hatte einen solchen Bärenhunger, daß sie eine volle
Schüssel allein hätte leeren mögen. Es gab für jeden jedoch nur zwei
Schöpflöffel voll.
Camilla wurde es übel, bevor
sie ihren Teller halb geleert hatte. Eines der Mädchen brachte sie hinaus.
Die anderen aßen schweigend
weiter.
Sandra in Gefahr
„Ich muß mit dem Hausvater
sprechen“, sagte Sandra, nachdem die Frühstücksrunde aufgehoben worden war.
Doch Jutta-Judith hielt sie
zurück. „Bleib hier. Der Hausvater hat jetzt seine private Meditationsstunde.
Dabei dürfen wir ihn nicht stören.“
„Und was macht ihr?“ fragte
sie.
„Wir haben zwei Stunden frei.
Wir lesen die Missionsschriften und diskutieren darüber. Ich sehe, du hast dir
schon eine Broschüre besorgt. Er schreibt wunderbar, nicht? Komm, wir gehen in
den Versammlungsraum.“
„Ich möchte nach Camilla
sehen“, bat Sandra.
„Das ist nicht nötig. Rocho
kümmert sich um sie“, wehrte Jutta-Judith ab.
„Aber sie hat Magenkrämpfe,
Jutta. Und ich habe nicht gesehen, daß jemand Tee für sie aufbrühte.“
„Sie bekommt etwas anderes.“
„Etwas anderes?“ Sandra
erinnerte sich an das weiße Pulver, das der Hausvater Camilla in der Nacht
eingegeben hatte. „Etwa Drogen?“ rief sie entsetzt.
„Nicht so laut! Natürlich
nehmen wir keine Drogen. Du mußt verrückt sein, wenn du das glaubst.“
„Hier wundert mich gar nichts.“
„Du nimmst den Mund ziemlich
voll. Seit du hier bist, machst du eine Menge Ärger“, sage Jutta-Judith
gereizt. Sie verließ die Küche und setzte sich in den Versammlungsraum.
Sandra lief ihr nach.
„Hat der Hausvater sich
beklagt? Was wollte er überhaupt von dir? Er hat dich über mich ausgefragt,
nicht wahr?“ forschte sie und setzte sich zu Jutta-Judith auf die Kiste in der
Kachelofenecke.
„Der Hausvater sorgt sich um
dich. Er fürchtet, daß du nicht die richtige Einstellung zu unserer
Glaubensgemeinschaft findest“, hielt Jutta-Judith ihr vor.
„Da hat er ganz recht. Ich habe
ihm gesagt, daß ich nach Hause zurück möchte.“
„Das bekümmert ihn ja so. Er
hat mich gebeten, mit dir darüber zu sprechen. Schließlich kennen wir uns von
früher...“
Sandra fiel ihr ins Wort. „Die
Mühe kannst du dir sparen. Du stimmst mich nicht um.“ Sie beugte sich zu
Jutta-Judith vor. „Ich verstehe dich nicht, Jutta! Du sagst, daß wir uns
kennen, aber ich habe dich ganz anders in Erinnerung. Früher hättest du dich
nicht von anderen manipulieren lassen.“
„Das tue ich auch jetzt nicht.
Aber seit ich hier lebe, bin ich ein anderer Mensch geworden“, erwiderte Jutta.
„Mit dieser Veränderung
brauchst du nicht zu prahlen“, sagte Sandra verächtlich. „Du kannst ja nicht
einmal mehr klar denken. Sie haben hier eine verantwortungslose, ichbezogene
Fanatikerin aus dir gemacht.“ Sandra schüttelte den Kopf. „Also, ich könnte
nicht so hartherzig sein, Jutta. Deine Eltern haben gewiß ihre Fehler. Aber sie
haben dich doch gern, und du hast sie auch einmal gern gehabt. Da kann man doch
nicht einfach davonlaufen, ohne wenigstens ,Auf Wiedersehen“ zu sagen oder
Bescheid zu geben, wo man lebt.“
„Ich habe mich von ihnen
gelöst, und das ist endgültig. Also bitte, hör jetzt auf, mir Vorhaltungen zu
machen. Und nenne mich
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