...und der grüne See (German Edition)
Lehrer
hatten auf eine Zusammenarbeit bestanden und Denny einer
Gruppe zugewiesen. Denny wusste, dass er anders war. Doch
was konnte er dafür, wenn die anderen seinen Ausführungen
nicht folgen konnten und sie als zu kompliziert abtaten? Er
interessierte sich nunmal für vieles und es ärgerte ihn, wenn er
als bezeichnet wurde. Die Schulnoten und all-
gemeinen Leistungen bewegten sich im oberen Leistungsdrittel
der Klasse und der Lernstoff bereitete ihm keine Mühe.
Dennys Klasse galt als besonders undiszipliniert und
rastlos und es herrschte ein rauer Umgangston, sogar unter
den Mädchen. Die Schulpausen empfand Denny wegen der
Lautstärke nervtötend. Die Unruhe und der Lärm auf dem
Schulhof sowie das Gedränge in den Schulgängen hatten ihn ei-
nes Tages in der Schulbibliothek Schutz suchen lassen. Sie war
für ihn ein Ruhe- und Rückzugsraum geworden. Hier konnte
er verschnaufen und vor den Unterrichtsstunden noch einmal
Luft holen. Denny fühlte sich in ihr wohl und nutzte jede ver-
fügbare Freistunde, um zu lesen. Außerdem mochte Denny die
Bibliothekarin. Ihr Name war Teresia Sollmann, sie war ungefähr
so groß wie er und wohnte nur ein paar Straßen weiter als seine
Familie. Denny schätzte sie auf etwa vierzig Jahre. Sie schien,
genau wie seine Eltern, ein besonderes Interesse für einzigartige
Steine zu haben. Irgendwann entdeckte Denny an ihrem rech-
ten Handgelenk ein breites, dunkelbraunes Lederband, das mit
einer Vielzahl von verschiedenfarbigen Steinen bestückt war.
Hinzu kam, dass er in Anwesenheit dieser Frau eigenartiger-
weise eine unerklärliche Sicherheit verspürte.
Das schrille Schellen an der Haustür riss ihn jäh aus seinen
Gedanken. Denny schlich schnell aus seinem Zimmer, um nach-
zusehen, wer gekommen war. Seine Mutter öffnete gerade die
Haustür.
„Oh, mit Ihnen hatten wir nicht mehr gerechnet!”
„Das sollten Sie aber”, erklang die schroffe Antwort, „ich
weiß, ich hätte schon zum Beginn der Ferien kommen sollen.“
Es folgte eine kurze Stille.
„Wollen Sie mich nicht hinein bitten? Ich habe nicht viel
Zeit.”Nach einem kurzen Zögern bat Dennys Mutter die
Dame herein, die daraufhin durch den Flur huschte und im
Wohnzimmer verschwand.
„Schatz, kommst du mal bitte hoch?”, hörte Denny seine
Mutter die Kellertreppe hinunter rufen, „wir haben doch noch
Besuch von ihnen bekommen.”
Kurz darauf erschien Dennys Vater im Flur und eilte ins
Wohnzimmer, um den Gast zu begrüßen.
„Oh! Hallo Frau Prof…”
„Guten Tag, Herr Gideon”, unterbrach die barsche Stimme,
„kommen wir gleich zum Grund meines Erscheinens. Sie kön-
nen sich sicher vorstellen, warum ich gekommen bin?”
„Wir können es uns denken”, entgegnete Samuel freundlich,
„obwohl wir nicht mehr mit Ihrem Erscheinen gerechnet …”
„Wie kommen Sie denn darauf?” Wieder fiel die Besucherin
ihm ins Wort, ohne einen etwas freundlicheren Ton anzuschla-
gen. „Als Ihr Vater verstarb, wussten Sie doch genau, dass dieser
Tag einmal kommen würde.”
„Ja, schon, aber ...”
„Die Regeln und Vorschriften müssten Ihnen beiden doch
eigentlich bekannt sein, oder? Und in Anbetracht dessen, dass
Ihr Vater viel zu früh verstarb, gilt Ihrem Sohn nun einmal be-
sondere Beachtung.”
„Meinen Sie nicht, dass Sie jetzt ein wenig übertreiben?”,
schaltete sich Salomé ein.
„Übertreiben?”, die Stimme der älteren Dame wurde lauter.
Denny versuchte, dem Gespräch unten im Wohnzimmer zu
folgen. Das meiste konnte er zwar gut hören, aber um was es
letztendlich ging, hatte er noch nicht herausgefunden.
„Ist Ihnen nicht bewusst, dass es sich bei ihrem Sohn um et-
was ganz anderes handelt, als um eine normale Schullaufbahn?
Nur weil Ihr Vater zu früh gestorben ist, heißt das noch lange
nicht, dass Denny nicht dort ausgebildet wird, wo er nun mal
hingehört, und wir uns nicht um ihn kümmern.”
Dennys Eltern sagten nichts.
„Ihr Vater hatte keine Möglichkeit mehr dazu, sein Wissen
weiterzugeben, denn Denny war noch zu klein, als er starb.
Und leider ist es nun einmal so, dass Sie als seine Eltern diese
Aufgaben nicht übernehmen dürfen, geschweige denn, mit ihm
über seine Herkunft und Wurzeln zu sprechen.”
„Daran haben wir uns gehalten. Wir haben mit Denny in
keinster Weise darüber gesprochen”, warf Salomé sofort ein.
„Na, das wäre ja noch schöner!” Die Frau kam nun auf
Hochtouren. „Hätte unsere Schulsekretärin mir
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