und der tanzende Derwisch
stehenzubleiben. Max wisperte: »Es sind nur zwei...« Und mit einem raschen Blick: »Passen Sie auf, daß der Schleier nicht rutscht!«
»Sie würden ihn mir schnell herunterreißen«, entgegnete sie leise. »Nehmen Sie den rechten, Max, ich kümmere mich um den anderen.« Ein rascher Blick über die Schulter zum Laster zeigte ihr, daß Sidi Tahar soeben Ahmad auf die Ladefläche hob, aber Khaddour konnte es sich nicht leisten, lange zu warten. Sie wandte sich wieder den zwei Polizisten zu. Hinter ihnen betrat gerade noch jemand den Durchgang - und sie erkannte ihn. Es war Saleh, der sie in die Lagerhütte in Zagora eingesperrt hatte.
Jetzt oder nie, dachte sie grimmig, und als die beiden Gesetzeshüter sie erreicht hatten und barsch arabisch auf sie einredeten, nahm sie Abwehrhaltung ein und wartete. Der größere der beiden streckte den Arm aus, um ihr den Schleier herunterzureißen. Dadurch kam er ihr nahe genug. Mit einem schnellen Hieb schlug sie seinen Arm hinunter, zielte mit dem Fuß auf das Nervenzentrum an seinem Oberschenkel, und als er vor Schmerzen aufschreiend zurücktaumelte, schmetterte sie die Knöchel ihrer Rechten unter sein Kinn. Als er halbbetäubt auf dem Boden lag, drehte sie sich Max zu und sah, daß es ihm geglückt war, dem anderen den Revolver zu entwinden und ihm damit auf den Schädel zu schlagen. »Laufen Sie!« keuchte Mrs. Pollifax. Eine Kugel schmetterte dicht neben ihnen in die Wand und unterstrich die Dringlichkeit der Aufforderung. Saleh war bewaffnet und brüllte um Hilfe.
Sie rannten. Die Tür des Führerhauses aufzureißen, war keine Zeit, so schwangen sie sich zu den anderen auf die Ladefläche. Khaddour gab Gas, bog auf die breite Sandstraße zur Wüste ein und bahnte sich einen Weg durch Dutzende von Kamelen, riesige, häßliche Geschöpfe, die stöhnende Laute von sich gaben, als ihre blaugewandeten, verschleierten Tuaregtreiber ihre Lasten abluden. Mrs. Pollifax spähte über die Bordwand und beobachtete Saleh, der schreiend aus dem Durchgang stürmte. Zweifellos forderte er mit seinen aufgeregten Rufen, daß man sie aufhalte, und da ihn über das Brüllen der Kamele niemand hörte, feuerte er Schüsse in die Luft. »Regardez! Aufhalten!« schrillte er und gestikulierte wild. Der Laster fuhr erschreckend langsam. Sie sah, wie sich Khaddour im Führerhaus über den Ganghebel beugte und sein rechter Arm sich abplagte, ihn aus dem ersten Gang herauszuschieben. Sie ließen die Kamele hinter sich, aber so langsam, daß Saleh, der ihnen nachrannte und mit der Pistole fuchtelte, auf bedrohliche Weise aufzuholen begann. Ein Kameltreiber hatte sich ihm inzwischen angeschlossen - seinem verschleierten Gesicht und dem blauen Gewand nach ein Tuareg -, und dahinter sammelten sich weitere Polizisten zur Jagd auf sie. Wir werden es nicht schaffen, dachte sie grimmig, o diese alten Karren, diese Karren! Lieber Gott, hilf uns - schneller, Khaddour, schneller!
Das Schneckentempo im ersten Gang war nervenaufreibend; sie hatten noch nicht einmal die letzten Mauern des Dorfes erreicht, hinter denen die heißersehnte Wüste lag. Sie spürte, wie Ahmads Hand nach ihrer langte und hielt sie fest, teilte seine Angst. Eine Kugel aus Salehs Pistole prallte mit einem metallischen Fing gegen die Bordwand, die Kamele brüllten hinter ihnen, der Motor heulte und der Hebel blieb immer noch im ersten Gang stecken.
Es ist hoffnungslos, absolut hoffnungslos, dachte Mrs. Pollifax verzweifelt, als Saleh und der Tuareg, weit vor den anderen, immer näher kamen. Bitte Khaddour, sieh zu, daß die Gangschaltung endlich funktioniert! betete sie, und während sie
über die Bordwand schaute, sah sie wie der verschleierte Tuareg einen Revolver aus seinem Gewand zog und kurz stehenblieb, um zu schießen. »Hinlegen, Ahmad!« schrie sie und duckte sich. Der Tuareg drückte auf den Abzug und feuerte. Doch als sie einen raschen Blick über die Bordwand wagte, sah sie verblüfft, daß er nicht auf sie geschossen hatte, sondern auf Saleh.
Sie keuchte, als Saleh zusammensackte. Der Mann im blauen Gewand wirbelte herum, um zu fliehen; in diesem Moment löste sich sein Schleier und sie sah sein Gesicht. Sie glaubte ihren Augen nicht trauen zu können. Die übrigen Verfolger hielten neben Saleh an und starrten verwirrt auf ihn hinunter. In diesem Moment ließ sich der Hebel endlich in einen höheren Gang schieben. Als der Laster Fahrt aufnahm, verschwand der Mann, der Saleh erschossen hatte, in einer der Labyrinthgassen,
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