Und ewig währt die Hölle (German Edition)
Gefangenenlagers gewesen, in dem sie über dreißig Mal vergewaltigt worden war. Ich glaube, er hat fünf Jahre gekriegt.»
«Er war Serbe?»
«Nein, bosnischer Muslim. Die Frau war Serbin.»
Lykke schüttelte den Kopf.
«Laut Kuvås ist Norwegen das reinste Ferienparadies für Kriegsverbrecher.»
«Das war mal.»
«Was hat sich geändert?»
«Die Regierung hat vor einigen Jahren ein neues Gesetz verabschiedet …» Sie unterbrach sich. «Ich glaube nicht, dass wir diese Diskussion jetzt führen sollten, Rolf.»
Lykke stand auf.
«Mit diesem Rechtssystem kann etwas nicht stimmen, wenn Kriegsverbrecher nicht härter bestraft werden als Jugendliche, die Hasch schmuggeln.»
«Wie auch immer, Djogo wird jedenfalls eine harte Strafe bekommen. Er hat in Oslo zwei Frauen getötet, das wiegt schwerer als die Verbrechen, die er in Bosnien begangen hat.»
Lykke trat an eins der vier Fenster, die auf den Fjord hinausgingen. Der Kontrast zu seinem Fenster mit Blick auf das alte Zuchthaus war überwältigend. Immer noch konnte man zwischen den halbfertigen gläsernen Kolossen, die auf dem Gelände des ehemaligen Ostbahnhofs emporwuchsen, das Meer sehen. Ein alter Mann am Stock bewegte sich vorsichtig die Treppe vor dem Friseursalon Larssen hinunter, dem einzigen Geschäft am Grønlandsleiret, das noch von einem Norweger geführt wurde.
«Und Fadil?», sagte er.
Sie runzelte die Stirn.
«Da bin ich wirklich überfragt. Ich vermute aber, die Richter werden ihn milde behandeln. Falls Djogo überlebt, ist Fadil sicher nach zwei Jahren wieder auf freiem Fuß.»
Lykke biss in das Schokoladenstück, es war steinhart und schmeckte nach Pfefferminz. Ein Piepsen kündete den Eingang einer SMS auf seinem Handy an. Er entschuldigte sich und überflog sie kurz. Sonja fragte, ob er Ida von der Schule abholen konnte. Sie hatte in die Hose gepinkelt und nichts zum Wechseln dabei.
Er drehte sich zu seiner Vorgesetzten um.
«Ich muss was erledigen», sagte er.
Breiby zögerte, dann rückte sie damit heraus.
«Hatten Sie Zeit, noch mal über den Oberkommissar nachzudenken?»
«Sie erhalten meine Entscheidung heute Nachmittag.»
«Okay, prima. Äh … ja, und danke, Rolf.»
«Schon gut.» Lykke erwiderte den Druck ihrer schmalen Hand.
Er fühlte sich erleichtert, als er die Tür hinter sich schloss.
«Na, Belobigung von der Chefin abgeholt?»
Viker kam gemächlich auf ihn zugeschlendert, einen dampfenden Becher Kaffee in der Hand. Der Mann war ein einziges Grinsen.
«Ja, ob du’s glaubst oder nicht.» Lykke blieb stehen. «Kann ich dich und Parisa kurz mal sprechen?»
«Die ist nicht da. Hat ein Date.»
«Parisa?» Er verspürte einen Anflug von Enttäuschung.
«Japp, mit einem richtigen Geldsack.»
«So …»
Viker kratzte sich den Strubbelkopf.
«Sie hat ihn im Internet aufgegabelt. Komischer Kauz, steht nur auf Stewardessen und Polizistinnen.»
«Woher weißt du das?»
«Hat Parisa erzählt. Sie hat ihn abgecheckt.»
«Und trotzdem trifft sie sich mit ihm?»
Lykke merkte schon jetzt, dass er den Mann nicht mochte. Plötzlich fiel ihm wieder die SMS ein, die sie im Vernehmungszimmer von Kripos erhalten hatte.
«Haakon Stang?»
«Ja, woher …?» Viker sah ihn überrascht an.
«Er hat sich vor Jahren mal vor dem Baronen geprügelt. Ging groß durch die Medien.»
«Inzwischen ist er wohl ganz friedlich und lustig, sagt Parisa.»
«Sicher.»
Ein Kommissar der Sondereinheit Menschenhandel ging vorbei und grüßte mit einem Kopfnicken, er hatte eine schutzsichere Weste über der Schulter.
Ich muss Ida abholen, dachte Lykke, und dann muss ich mit Sonja reden. Er warf im Vorübergehen einen Blick durch die halboffene Tür ins Büro des Oberkommissars.
Drei Fenster zum Fjord.
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Über Kjetil Try
Kjetil Try, geboren 1959, lebt in Oslo und ist in der Werbebranche tätig. Im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschien bisher «Denn ihrer ist das Himmelreich», der Auftakt einer Reihe um den Osloer Kommissar Rolf Gordon Lykke. «Und ewig währt die Hölle» ist der zweite Teil.
Weitere Veröffentlichung:
Denn ihrer ist das Himmelreich
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Über dieses Buch
Erlöse uns von dem Bösen.
Oslo, im kalten November: Die Bosnierin Nadija wird ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Selbst für die routinierten Ermittler ein schrecklicher Anblick: Ihr Körper wurde aufgeschlitzt und mit Waschpulver gefüllt. Augenscheinlich hatte die junge Frau keine Feinde,
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