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Und führe uns nicht in Versuchung

Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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die Hochhäuser hingeklotzt haben», sagte sie mit Blick auf die «Skyline», an der sie gerade vorbeifuhren. Ihre Stimme krächzte, sie markierte einen kleinen Hustenanfall. Arne sollte auf keinen Fall merken, daß sie Tränen in den Augen hatte. Er hatte ausgesprochen, was sie die ganze Zeit befürchtet hatte: Jacobi könnte den Mörder vor ihnen entdecken und sich in Lebensgefahr befinden. «Von außen sind sie nicht gerade schön», meinte Arne zu den Hochhäusern, «aber innen sind sie gar nicht schlecht. Ich hatte mal eine Freundin, die wohnte in einer Maisonette-Wohnung in der ElsaBrändström-Straße 8. Beim Frühstück hatten wir einen Superblick über den Rhein bis weit in den Taunus hinein. Die Aussicht habe ich später mehr vermißt als die Frau.»
    «Du bist und bleibst ein Chauvi, Arne», lachte Tanja. Sie war froh, daß er offenbar nichts von ihrer Gefühlsregung gemerkt hatte. Dann wurde sie wieder ernst. «Dieser Steffen Vogel ist wirklich ein unheimlicher Mensch gewesen. Ich bin froh, daß ich ihm nicht begegnet bin. Wer weiß, wozu er mich gebracht hätte. Ich habe so ein Gefühl, als ob die Menschen, die ihm begegnet sind, sich selbst durch ihn auf eine so umstürzende Art kennengelernt haben, daß sie sich ganz fremd geworden sind.» Arne grunzte. «Ich wußte gar nicht, daß du so tiefsinnig sein kannst, Tanja. Du könntest direkt anfangen, Theologie zu studieren. Am Ende färben die Joggingtouren mit Susanne auf dich ab. Aua!» Er rieb sich den Arm dort, wohin Tanja ihn ziemlich fest geboxt hatte. «Such dir doch mal ‘ne andere Stelle aus, da war noch der blaue Fleck von deinem letzten Übergriff. Übrigens, hast du während unseres Gesprächs mit dieser arktischen Lady daran gedacht, daß auch Sie es gewesen sein könnte, die Vogel den finalen Kick gegeben hat?» Tanja schreckte aus ihren Gedanken auf. «Wieso denn das? Sie hat ihn doch geliebt, sagte sie. Und ich habe ihr geglaubt.» Arne nickte. «Ich auch. Eine Frau, deren Liebe nicht erwidert wird, ist gefährlicher als ein hungriger Tiger.
    Indisches Sprichwort», ergänzte Arne auf Tanjas verwirrten Blick hin. «Im Ernst – wenn dieser lebende Kühlschrank entflammt wird und es gibt keine Gegenliebe, dann möchte ich nicht wissen, zu was sie fähig ist. Und – hat sie gesagt, daß Steffen Vogel sie zurückgeliebt hat? Sie hat es nicht gesagt. Sie braucht es auch nicht zu sagen. Ich weiß, daß er niemanden geliebt hat. Und ich weiß, daß sie darunter gelitten hat wie ein zu Tode verletztes Tier.»

    * * *

    Urs Bernhardt hatte sich am Telefon die Traueransprache für Steffen Vogel vorlesen lassen. Wie versprochen hatte Susanne ihn angerufen und lange von den bewegenden Ereignissen erzählt. Urs Bernhardt freute sich, daß er mit seinen Gedanken Susanne hatte weiterhelfen können.
    «Können Sie mich auch beerdigen, Frau Hertz?» meinte er scherzend. «Ich möchte das testamentarisch festlegen, bei Ihnen wüßte ich mich in guten Händen, bei jemand anderem müßte ich am Ende empört aus dem Sarg springen.» Urs lachte. Sie hörte, wie er beim Telefonieren im Raum hinund herging. Ruhig sitzen bleiben konnte dieser Mann wirklich nicht. Im Hintergrund hörte sie die Klänge einer Verdi-Oper, sie konnte sich gut vorstellen, wie Urs Bernhardt zum Klang der Musik um die Bücherstapel herumtänzelte. Jetzt raschelte es, wahrscheinlich suchte er nebenher eine Notiz auf seinem chaotischen Schreibtisch. Susanne fragte sich, wie ein Mensch in einer Atmosphäre, die an den Zustand der Welt vor dem Schöpfungsakt erinnerte, nur einen kreativen Gedanken zusammenbrachte. «Übrigens hat mich Ihr Steffen Vogel an Adrian Leverkühn erinnert, Sie wissen schon!» erzählte Urs gerade begeistert. Susanne wußte überhaupt nichts, nahm aber an, daß Urs bestimmt einen genialen Gedanken hatte. Adrian Leverkühn, das war doch eine Figur von Thomas Mann, oder? Wenn sie etwas lästig fand an Urs Bernhardt, dann war es, daß sie sich im Gespräch mit diesem Mann immer so schrecklich ungebildet fand. ‹Sie wissen schon› – von wegen! Susanne nahm sich zum wiederholten Mal vor, im nächsten Urlaub ihre Bildung aufzufrischen und zumindest einige Standardwerke der Weltliteratur durchzuackern. Urs plauderte unbekümmert weiter. «Nun, Adrian Leverkühn ist doch auch ein ganz kühler Mensch. Er studiert Theologie, um seinen Hochmut zu zügeln, dann wird er Komponist und hält schließlich seine Syphilis für einen Teufelspakt. Am Schluß schickt er einen

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