Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
anfangen kann. Dann leiste ich Ihnen beim Essen Gesellschaft, wenn ich darf.» Er lächelt verlockend. «Das hier ist ja schließlich ein Notfall.»
«Aber ja. Sehr gern», haucht Ellen, während Marco in der Küche verschwindet. Sie sieht ihm einen Moment nach, dann dreht sie sich zu mir und lächelt versonnen: «Ist er nicht süß?»
«Dann essen wir also jetzt doch Burger?», frage ich amüsiert.
Schlagartig wird ihr Gesicht ernst. «Ehrlich gesagt finde ich nicht, dass du einen Burger verdient hast. Schließlich ist es deine Schuld, dass ich mir fast das Genick gebrochen hätte und jetzt aussehe, als wäre ein Vierzigtonner über mich drübergefahren. Ich hätte diesen Marco lieber kultiviert und rein zufällig auf dem Gang getroffen, aber du musstest ja unbedingt noch mit der Kellnerin flirten.»
«Ich habe nicht geflirtet», wende ich ein.
«Egal. Du solltest mir jedenfalls nicht obendrein das erste halbwegs vielversprechende Date seit unserer Scheidung versauen. Kurzum: Es wird das Beste sein, dass du uns einfach allein lässt.»
«Aber ich bin hungrig», begehre ich auf. Ich sage das nur, um sie zu ärgern, denn ich habe längst beschlossen, dezent das Feld zu räumen. Meine Mission ist erfüllt. Ellen und Marco haben sich kennengelernt. Den Rest müssen sie schon selbst erledigen. Dass ich Hunger habe, stimmt allerdings. Großen Hunger sogar.
«Jetzt sei doch nicht so egoistisch!», nörgelt Ellen. «Du kannst doch …»
Sie verstummt abrupt, weil Marco reinschaut. «Geht klar. Ich fange einfach etwas später an. In fünf Minuten wäre das Essen fertig. Drei Burger de luxe mit allem Drum und Dran?»
«Mein Schwager wollte gerade gehen», flötet Ellen hastig. «Er hat einen Anruf bekommen und muss zu einem wichtigen Termin.»
Sie fixiert mich wie dieser Comic-Held, dessen Augen todbringende radioaktive Strahlen abschießen können.
«Stimmt. Für mich leider nicht», sage ich. «Ich muss los. Und zwar sofort.»
«Das ist schade. Sie verpassen was», erwidert Marco mit einem freundlichen Lächeln und schließt die Tür.
«Mein … Schwager?», zitiere ich Ellen ungläubig.
«Jetzt hab dich nicht so. Er muss ja nicht sofort wissen, dass ich geschieden bin. Männer denken doch immer gleich, dass geschiedene Frauen kompliziert oder konfrontativ sind.»
«Und wie lange glaubst du ihm verheimlichen zu können, dass du beides bist?», frage ich.
«Dein wichtiger Termin wartet», erwidert Ellen schnippisch.
Auf dem Weg zur U-Bahn widerstehe ich dem Bedürfnis, meinen Hunger mit Fastfood zu stillen. Das ist nicht so einfach, weil immer noch der weihnachtliche Geruch von Gebratenem und Gebackenem in der Luft hängt. Ich spekuliere trotzdem lieber darauf, dass Mutter noch ein bisschen Brot und Käse im Haus hat. Beides würde ich gern mit einem von Jonas’ hervorragenden Rotweinen hinunterspülen.
Zu meinem Erstaunen ist Mutter nicht daheim. Was Rotwein, Brot und Käse betrifft, werde ich fündig. Dabei entdecke ich auch eine für mich bestimmte Nachricht, die Mutter an die Kühlschranktür gepinnt hat: Lieber Jakob, ich habe einen sehr aufschlussreichen und wohl auch sehr wichtigen Abend mit Hanna verbracht und werde nun bei ihr übernachten. Ich glaube, dass sie gerade etwas Unterstützung gebrauchen kann. Deshalb wollen wir noch reden und morgen früh dann von ihr aus direkt zum Flughafen fahren. Du musst uns also nicht hinbringen. Mein Gepäck habe ich auch schon abgeholt. Sei doch morgen einfach gegen halb elf am Counter, um uns zu verabschieden. Tausend Dank! Deine Mutter.
Mutters Übergriffigkeit ist also wieder einmal mit ihr durchgegangen. Binnen eines Abends hat sie nicht nur Hanna als künftige Schwiegertochter zwangsrekrutiert, sondern ist auch gleich mal vorübergehend bei ihr eingezogen. Ich mache mir dennoch nur kurzzeitig Sorgen um Jonas’ Ex. Mag ja sein, dass sie gerade ein bisschen fremdbestimmt wird, immerhin ist sie bei Mutter in guten Händen. Außerdem habe ich auf diese Weise meine Ruhe. Ich werde mich deshalb bei einer guten Flasche Wein darauf vorbereiten, dass ich morgen gleich nach der Stippvisite am Flughafen mit der Therapie von Abel Baumann beginne. Wäre doch gelacht, wenn es mir nicht gelänge, erst den Allmächtigen und dann auch die Welt zu retten.
Am Flughafen herrscht hektische Betriebsamkeit. Man sieht Skiurlauber am Sperrgepäckschalter, jugendliche Backpacker, die in ihre Reiseführer vertieft sind und rüstige Rentner auf dem Weg in wärmere Regionen.
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