Und immer wieder Liebe Roman
an.«
»Als wir zusammengekommen sind, haben wir schon lange nicht mehr gespielt.«
»Aber die guten alten Doktorspiele spielt ihr noch, oder habt ihr das auch ad acta gelegt?«
»Emma, nach dreißig Jahren zählt nicht mehr die Quantität, sondern die Qualität. Das müsstest du doch eigentlich wissen.«
»Das Vergnügen scheint dann zur Pflicht geworden zu sein. Schau dir Camillo an. So intelligent und kultiviert er auch ist – Sex scheint für ihn die wichtigste Messgröße zu sein. Wenn er eine Frau sieht, egal, was für eine, verliert er seinen Realitätssinn. Irgendwie misstraut er seinem Geist. Nur sein Körper scheint ihm das Gefühl zu verschaffen, dass er noch lebt.«
»Valeria gibt ihm ein Gefühl von Sicherheit, sie schenkt ihm Aufmerksamkeit. Der Körper ist real, Emma. Alles kann man digitalisieren, nur Sex, Krankheit und Tod nicht.«
»Ich denke nie an den Tod.«
»Deswegen gefällt dir auch die Architektur. Sie ist eine physische Kunst an einem physischen Ort.«
»Wie spät ist es? Ich bin müde. Ich würde am liebsten nach Hause gehen.«
»Für dich ist es mitten in der Nacht, für den Rest der Welt eine halbe Stunde nach Mitternacht. Schau dir mal Mattia an.«
Manuele schneidet Salami auf, Alice reicht ihm das Brot, und Mattia hat es sich zwischen zwei Mädchen bequem gemacht. Die eine hat Pausbacken und zu viel Gel im Haar, die andere ist der Typ »Blondine mit Perlenkette«. Sie trägt eine so enge Jeans, dass für keinen noch so kleinen Seufzer mehr Platz bleibt. Zwei Welten, ein Lächeln. Am Tisch nebenan sitzen zwei Zwanzigjährige. Sie trinkt einen Pampelmusensaft, er eine Cola mit Eis. Sie blicken einander tief in die Augen und scheinen sogar in eine richtige Unterhaltung vertieft. Ihre Handys liegen trotzdem zwischen
ihnen – sie könnten ja klingeln, und man könnte es überhören. Antonia Byatt hat recht, wenn sie schreibt, dass man zwei Leute nur in einen Pub verfrachten muss, und schon erzählen sie sich irgendwann unweigerlich ihr Leben. Im Grunde haben die Menschen nichts als Worte, um in dieser Welt zu existieren. Lust&Liebe ermöglicht dieses Wunder. Jetzt sehen die beiden das Schild und stellen ihr Handy aus. Sie steckt ihres in eine riesige Handtasche, er seines in seine Jacke.
Nun bricht das Finale an, die Nachwuchsschriftsteller treten auf den Plan, die unveröffentlichten Hoffnungsträger: Pablo Paolo Paretti betritt das Podium, ein italienischer Dichter, der in Kopenhagen lebt. Es scheint eine Liebesflucht gewesen zu sein, wenn ich es recht verstehe. Ein Däne begleitet ihn, groß, blond, schön, wie aus dem Reiseführer. Pablo Paolo rezitiert seine Verse.
»Vor meiner grausamen Niederlage hast du mich verlassen. Ich danke dir. In der Melancholie der Erinnerung denke ich noch an dich. Der Weg des Werdens, nach dir, hat sich deutlicher zu erkennen gegeben. Heute weiß ich, dass du nur eine schöne Episode warst. Das Leben ist wieder Leben und du ein Teil von ihm.«
Pause. Vorsichtiger Applaus. Gaston, der vom Essen mit Borghetti zurückkommt, scheint jedoch durchaus interessiert. Mehr an dem Dänen als am Gedicht, aber das läuft irgendwie auf dasselbe hinaus.
»Ich würde gerne niemanden lieben, denn wenn du liebst, musst du dich auf Kompromisse einlassen, musst verzeihen, die Augen vor dem Betrug verschließen, musst schreien vor Schmerz, wenn der Geliebte verschwindet. Wenn ich weniger stark und ein größerer Feigling wäre, könnte alles so leicht sein. Er ruft. Ich gehe seinen Pfefferminztee kochen!«
Ich bin am Ende und verstehe nicht, wie ein so hübscher, gesunder Mann solch melancholische Verse schreiben kann. Es ist Zeit
zu verschwinden, beschließe ich und sage in die Runde: »Leute, ich gehe. Alice, kannst du mich ablösen? Bleibt sitzen, liebe Freunde, wir haben noch bis fünf Uhr auf. Warme Brioches sind schon unterwegs, amüsiert euch. Bye bye.«
Draußen hole ich tief Luft. Ich betrachte die Basilika, dieses großartige Barockjuwel von 1601, und es ist, als sähe ich sie zum ersten Mal. Klar, ich habe sie einfach noch nie um diese Uhrzeit gesehen, und ich muss an Knabenstimmen hinten im Kirchenschiff denken. Don Maurizio, der von den Nachwehen eines Rauschs beseelt zu sein scheint – er geht nicht auf zwei Beinen, sondern wallt in seinem Gewand -, wird gleich den Chor der Gläubigen dirigieren.
»Hallo, Emma. Was für ein Abend,was? Hören Sie uns ein wenig zu?«, fragt er lächelnd.
»Ich bin zu müde, Don, ich gehe jetzt schlafen, wenn
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