Und Jimmy ging zum Regenbogen
tausendmal … Sie können sich nicht vorstellen, was es für das Hotel bedeutet hätte …«
»Schon gut. Wenn Sie dem Geschäftsführer im Café Bescheid sagen wollten, Graf. Wir werden das Zimmer nicht lang in Anspruch nehmen.«
»Aber ich bitte Sie!«
»Und verzeihen Sie, daß ich bei Ihnen geraucht habe. Mit Ihrem Katarrh! Sie werden ein wenig lüften müssen …«
Groll reichte Manuel nun den lederüberzogenen Bund. »Bitte!«
Mit dem kleinsten Schlüssel öffnete Manuel das Köfferchen. Darin lagen, durch eine große Klammer zusammengehalten, zahlreiche Papierseiten. Groll hob sie hoch, betrachtete sie kurz und legte sie dann auf das grüne Tuch des Tisches, über dem altmodisch beschirmte, starke Lampen brannten.
Manuel starrte das oberste Blatt des Manuskripts an. Es war eng und gleichmäßig mit Buchstabengruppen in breiter Füllfederschrift bedeckt. Manuels Blick glitt über die ersten Gruppen. Er las:
EIQXS RFSTR LUCTX MNCRY EYBSX NLGZQ VTRKD RWRFT WHVEM GAJGX …
Groll las, über Manuels Schulter gebeugt, mit.
»Ein Code«, sagte Manuel.
»Ja, und ein verflucht unangenehmer, fürchte ich«, sagte der Hofrat und ließ eine weiße Kugel über den Tisch rollen. Sie stieß an eine gegenüberliegende Bande und kehrte zurück.
»Was meinen Sie?«
»Ich war während des Krieges Entzifferer – zwei Jahre lang. Natürlich kann ich mich irren, aber dies scheint mir ein sehr langer ›Cäsar‹ zu sein. Das ist ein Fachausdruck.«
»Ich weiß. Chiffrieren war eine Leidenschaft meines Vaters.«
»Ach, du lieber Gott.« Groll ließ die rote Kugel losschießen, die über zwei Ecken zu ihm zurückkam. »Das ist ja fein. Er kannte sich also aus, wie?«
»Ja. Es machte ihm Spaß, mit einem Freund so zu verkehren. Sie schlossen Wetten ab, denn mein Vater verwendete mit Vorliebe Zitatencodes, also Codes …«
»… deren Schlüsselsatz ein Zitat ist, ich weiß. Das halten Sie für seine Schrift?«
»Unbedingt. Ich kenne diese verkehrt geschriebenen N’s, die Balken-H’s und die verkehrt geschriebenen M’s.«
»Wenn es sich auch noch um einen Zitatencode handelt, dann ist er unlösbar, fast mit Gewißheit unlösbar, solange man das Zitat nicht kennt.« Der Hofrat ließ eine weiße Kugel losrollen, diese traf die zweite weiße und kam auf die rote zurück.
Manuel blätterte unterdessen das Manuskript durch.
»Sechsunddreißig Seiten«, sagte er beklommen. »Eng beschrieben. Eine Riesenbotschaft. Er chiffrierte sehr schnell, mein Vater. Aber was sollen diese sechsunddreißig Seiten, diese Monsterarbeit?«
»Das, lieber Freund«, sagte der Hofrat, »ist das Geheimnis.«
»Was für ein Geheimnis?«
Groll räusperte sich, strich durch das silberne Haar und senkte die Stimme. »Ihr Vater«, sagte er, »war ein sehr vorsichtiger Mensch. Sie wissen jetzt schon so viel über Franzosen, Amerikaner und Russen – es war nicht zu vermeiden –, daß ich Sie weiter einweihen muß. Meine Freunde von der Staatspolizei werden das verstehen. Oder sie sollen mich gern haben. Hier geht es jetzt um Ihr Leben, um Ihre Sicherheit, Herr Aranda! Nach allem, was wir wissen – und wir wissen natürlich längst nicht alles –, hat Ihr Vater sich in Wien mit Franzosen, Russen und Amerikanern eingelassen, ohne Zweifel, um ihnen etwas zu verkaufen.«
»Was?«
Der Hofrat tippte auf das Manuskript.
»Das da?«
»Ja.«
»Aber weshalb liegt es dann noch hier – verschlüsselt?«
Groll hob eine Hand. »So, wie wir die Sache sehen, ist Ihr Vater mit den Amerikanern und den Russen handelseinig geworden. Die haben vermutlich bereits die Klarschrift dieses Manuskripts. Nur mit den Franzosen war es noch nicht soweit. Ihr Vater wollte sich absichern – hier die verschlüsselte Ware, hier Geld, hier der Dechiffrierschlüssel. So etwa.«
»Mein Vater war dann also sehr vorsichtig. Trotz allem nicht vorsichtig genug. Der Code hat ihn nicht davor beschützt, ermordet zu werden.«
»Nein.« Groll ließ andauernd Kugeln über den Tisch rollen. »Aber der Mord hat offensichtlich auch das Geschäft verhindert.«
»Das heißt, Sie glauben, daß der Mord von Amerikanern und Russen organisiert worden ist?«
»Ich glaube gar nichts. Ich denke jetzt nur an
Sie,
Herr Aranda. Nun haben
Sie
das Manuskript. Ich möchte nicht, daß auch
Sie
noch ermordet werden – von wem immer.«
»Aber Sie sagten doch, ich hätte jetzt Amerikaner und Russen auf meiner Seite – die stärkere Partei. Und deshalb sollte ich auch im
Weitere Kostenlose Bücher