Und Jimmy ging zum Regenbogen
Rückwand des Raums, den Kopf gesenkt, die Augen niedergeschlagen, in sich zusammensinkend.
Die Waffe auf Groll gerichtet, bewegte Lavoisier sich, rückwärts gehend, zu der Tür. »Keine Bewegung, oder du bist ein toter Mann …«
Groll stand erstarrt.
Lavoisier griff mit der Hand, die das Köfferchen hielt, hinter sich nach der Türklinke, hörte ein Geräusch und wirbelte herum. Einer von Grolls Männern, die bei der Tür gewartet hatten, sprang vor und schlug Lavoisier wuchtig die Handkante gegen den Hals, dorthin, wo sich die Hauptschlagader befindet. Lavoisier krachte auf den Steinboden. Der Koffer fiel ihm aus der Hand, desgleichen die Pistole. Grolls Männer stürzten sich über ihn, hoben ihn halb hoch, und noch ehe Lavoisier wieder ganz bei Bewußtsein war, hatten sie seine Hände auf dem Rücken in eine Stahlfessel geschlossen. Sie rissen ihn empor. Einer zog seinen Mantel aus und hängte ihn dem arg Benommenen um die Schulter.
»Danke sehr«, sagte Groll. Er hob das schwarze Aktenköfferchen auf. »Bringt ihn zu den Lifts und fahrt in die Tiefgarage. Von da führt ihn hinauf in den Hof. Wir haben ein Lieferauto reingeschleust. Von einer Sektfirma. Der Page wird schon drinsitzen. Die beiden dürfen nicht miteinander in Kontakt treten. Nehmt einen zwischen euch nach vorn, sperrt den andern im Laderaum ein. Es sind noch Männer beim Wagen.«
»Ich verlange, daß augenblicklich meine Botschaft verständigt wird! Ich bin Franzose! Ich verlange einen Anwalt und einen Vertreter meiner Botschaft.«
Groll sah ihn nicht einmal an.
»Setzt ihn fest. Diebstahl und bewaffneter Widerstand gegen die Staatsgewalt. Den Pagen stecken wir wegen Beihilfe in Untersuchungshaft.« Lavoisier fuhr auf.
»Das können Sie nicht! Sie haben keinen Haftbefehl!«
»Kriegen wir im Gefängnis. Sie sind beide auf frischer Tat ertappt worden. Und vergessen Sie Ihre Botschaft. Es ist ein rein kriminelles Vergehen, weshalb wir Sie festnehmen, kein politisches. Darum kommen Sie auch in das Polizeigefängnis in der Rossauer Kaserne.« Hoffentlich wird Hanseder beruhigt sein, dachte Groll. Weiter herunterspielen kann ich das nicht. Seine Leute müssen eben zur Rossauer Kaserne fahren und den Kerl da verhören. Sagen wird der nichts, ich kenne den Typ. Der Page schon eher. Der ist jung und hat Angst. Tat es nur für Geld, sicherlich. Dieser Lavoisier sieht mir aus wie einer von den verfluchten Überzeugungstätern. Leider weiß er natürlich mehr als der Page. »Schickt mir Horn und Gellert her«, sagte Groll. »Sie haben den Jungen in den Hof gebracht. Ihr beide fahrt mit ins Gefängnis. Wir sehen uns hier noch ein wenig um. Auf den Koffer werde jetzt ich achtgeben …«
22
»… bis Herr Aranda zurückkommt. Niemand, nur er darf ihn öffnen, sagte ich«, berichtete der dicke Hofrat, an seiner Virginier ziehend. »Na, ich blieb hier. Lange genug haben Sie mich warten lassen.«
Manuel fragte aufgeregt: »Wo ist dieser Koffer?«
Mit einer für seine Leibesfülle erstaunlichen Schnelligkeit und Grazie bückte sich der Hofrat und hob hinter dem Schreibtisch einen flachen, kleinen Krokodillederkoffer hervor.
»Hier. Ich habe ihn nicht aus den Augen gelassen.«
Manuel sprang auf.
»Was ist darin?«
»Das werden wir bald feststellen.«
»Was heißt bald? Warum nicht sofort?«
»Lassen Sie mich zu Ende erzählen und … und noch etwas kontrollieren, Herr Aranda. Tun Sie, worum ich Sie bitte. Ich habe Gründe. Ja?«
Manuel hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
»Danke«, sagte Groll. »Nachdem Lavoisier und der Page weg waren, sah ich mich in Ihrem Appartement um. Später rief ich noch drei meiner Männer her. Sie parkten vor dem ›Ritz‹. Ich wollte, daß alle, die das Haus bewachen, sie auch sahen. Ich wollte, daß nicht noch mehr passierte, bevor Sie zurückkamen. Die Männer sind im Hotel. Wir haben die ganze Tat rekonstruiert. Der Page – Karl Weigl heißt er übrigens, ein Wiener – und Lavoisier sagen kein Wort, wie ich erwartet habe. Weigl heult aber bereits. Der wird heute noch speiben.«
»Was wird er?« fragte Manuel.
Groll grinste. »Auspacken. Spucken. Sagen, was er weiß. Bei uns heißt das Speiben. Verzeihen Sie den Fachausdruck. Leider wird er nicht sehr viel zu speiben haben. Vielleicht nennt er uns seinen Verbindungsmann zur französischen Zentrale.« Groll seufzte. »Den kennen wir schon seit Jahren.«
Sie waren nun allein in dem schönen Büro, das blauer Zigarrendunst erfüllte. Graf Romath
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