Und Jimmy ging zum Regenbogen
leben.«
Manuel sagte hilflos: »Jemandem andern … ihrer Nichte … erzählte Frau Steinfeld, ihr Mann sei im Krieg gefallen, und der Junge sei nach Kanada ausgewandert, weil sie sich nicht miteinander verstanden. Das zeigt, daß ihre Nichte von der ganzen Geschichte überhaupt nichts weiß. Frau Steinfeld hat sie belogen.«
»Vielleicht belog sie uns beide«, sagte Nora Hill.
»Aber warum?«
»Sie kann Gründe dafür gehabt haben.«
»Wenn es stimmt, was sie
Ihnen
erzählt hat, dann müßte man doch ihren Mann finden können, falls der noch lebt – oder zumindest den Jungen, diesen Heinz!« Manuel wurde lauter. »Wenn es stimmt, was sie Ihnen erzählt hat, dann bedeutet das doch jedenfalls, daß sie den Prozeß damals gewann!«
»Nicht unbedingt. Heinz kann auch so durchgekommen sein. Und es muß nicht stimmen, was sie mir erzählt hat. Sie war verwirrt, ich sagte es schon. Als ich sie fragte, wie der Prozeß geendet hätte, behauptete sie, er sei überhaupt nicht zu Ende geführt worden.« Nora hob eine Hand. »Es ist alles sehr geheimnisvoll, was damals geschah. Auch für mich – heute noch.«
»Wenn der Junge in Amerika lebt – warum ist er dann nicht einmal jetzt nach Wien gekommen, nach dem Tod seiner Mutter?«
»Tja, warum nicht, Herr Aranda?« Nora Hill erhob sich, auf die Krücken gestützt. »Sie stehen am Anfang eines langen Weges. Ich will Ihnen helfen, soweit ich es vermag. Das letzte Rätsel müssen Sie selber lösen …«
»Erste Klasse«, sagte Fedor Santarin, ein künstliches Glied betrachtend, auf das Vergißmeinnicht-Blüten gemalt waren. Er hatte es aus einer Spielzeugkiste genommen. »Den bringt jetzt nichts mehr von der Verfolgung der Spur ab. Den hat das Jagdfieber gepackt – dank Nora. Trinken Sie einen Schluck auf ihr Wohl, Gilbert …«
»Es ist spät geworden«, sagte Nora zu Manuel. »Sie werden müde sein.«
»Ich muß fort«, sagte Manuel, dem in diesem Augenblick etwas eingefallen war.
Gemeinsam verließen sie das Appartement. An Manuels Seite schwang Nora Hill, fast graziös, auf ihren Krücken die Treppe in die Halle hinab, in der es nun sehr laut zuging. Neue Gäste waren gekommen. Sie tranken, redeten und tanzten mit den Mädchen. Jazz erklang aus Lautsprechern. Kellner eilten hin und her. Nora Hill grüßte nach verschiedenen Seiten. Manuel fühlte sich, als hätte er Fieber. Menschen stießen ihn an. Plötzlich stand der Diener Georg da. Er sagte Nora etwas ins Ohr. Sie nickte und wandte sich halb ab, um Georg ihrerseits etwas zu sagen. Im gleichen Moment verspürte Manuel eine Berührung. Er sah auf. Dicht neben ihm, in einem Nylon-Spitzencape, auf hochhackigen Schuhen, tanzte die rothaarige Yvonne mit einem Farbigen. Durch das Cape sah man ihren nackten Körper. Blitzschnell glitten Yvonnes Finger über Manuels Jacke. Dann verschwand das Mädchen schon wieder in der Menge. Manuel steckte eine Hand in die Tasche. Ein Zettel befand sich jetzt darin.
»Ich begleite Sie zum Ausgang«, sagte Nora Hill. Er fuhr herum. Sie sah ihn ernst an. Hat sie etwas gemerkt? überlegte er. Georg, der Diener, steuerte durch die Halle auf eine Tür zu, hinter der er verschwand.
»Der Schneefall hat aufgehört«, sagte Nora Hill, als Manuel in der Garderobe seinen Mantel anzog. Sie reichte Manuel eine Hand. »Sobald Sie mit den anderen gesprochen haben, besuchen Sie mich gleich wieder …« Sie blieb in der offenen Eingangstür stehen und sah ihm nach, wie er zu seinem Wagen ging. Er drehte sich um und winkte. Nora Hill hob eine Krücke und winkte mit ihr zurück. Dann schloß sie die Tür und eilte schnell durch den Gang der Garderobe in die Halle und auf jene Tür zu, hinter der Georg verschwunden war. Sie öffnete die Tür und trat in ein prächtig orientalisch eingerichtetes Zimmer. Georg gab eben einem eleganten Mann mit blassem Gesicht, umschatteten Augen, langen Wimpern und graumeliertem Haar Feuer für seine Zigarette.
»Guten Abend, cher ami«, sagte Nora Hill.
»Madame«, sagte Jean Mercier, Chef des französischen Reisebüros ›Bon Voyage‹ in Wien, sich schnell erhebend und zu ihr tretend, »ich bin entzückt, Sie zu sehen.« Er verneigte sich tief und küßte ihre Hand. »Ist er fort?«
»Ja.«
»Ich sagte Georg, daß ich ihn nicht sehen will. Er soll nicht wissen, wie ich ausschaue …«
»Das ist doch ganz klar. Sie können gehen, Georg.«
»Sehr wohl, Madame.« Der Diener verschwand.
Sofort fragte Mercier: »De Brakeleer ist gekommen?«
Nora
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