Und morgen seid ihr tot
wildfremde Menschen waren mit uns solidarisch. In Internetblogs haben Unbekannte den gehässigen Kommentaren widersprochen. Nach unserer Befreiung sind wir von Leuten kontaktiert worden, die ein ähnliches Schicksal hatten oder einfach nur ihrer Anteilnahme und Sympathie Ausdruck verleihen wollten. Dies alles gab uns Kraft.
Auch danken wir Christian Försch, Prinz unserer Herzen, der uns unermüdlich Mut gemacht und unsere Erinnerungsarbeit unterstützt hat, der alles noch einmal gemeinsam mit uns durchlebt und durchlitten und uns am Ende unsere Selbstachtung zurückgegeben hat. Er ist Teil dieser Geschichte geworden.
Wir danken dem ganzen DuMont Verlag, vor allem Tanja Rauch, welche uns an die Hand genommen und in ein neues Abenteuer geführt hat: die Entstehung eines Buches.
Daniela Widmer und David Och
Dieser Text basiert auf Danielas Tagebuchaufzeichnungen. Bei der Arbeit am Manuskript wurde mir klar, wie unterschiedlich wir vieles wahrgenommen und empfunden hatten. Dies betraf »objektive« Fakten (was sie zum Beispiel auf der Flucht für zwei Minuten hielt, war für mich eine Viertelstunde) ebenso wie Subjektives. Daniela spürte manchmal unter den Paschtunen eine menschliche Nähe, zu deren Wahrnehmung ich nicht in der Lage war – zu deutlich war für mich die latente Gewalt, zu groß der seelische Aufwand, mit dem ich meine Ausbruchs- und Rachefantasien unterdrücken musste, wenn ich zum Beispiel die unbeaufsichtigten Waffen oder die grobschlächtige Ich-Sucht Dumbos sah. Ich war so darauf konzentriert, keinem der Taliban an die Gurgel zu gehen, dass ich keine Herzlichkeit, aber auch keine Freude empfinden konnte, nicht einmal in den Schlaglichtern von Selbsttäuschung oder Träumerei, in denen man sich über die Wirklichkeit erhebt. Es ist vor allem Danielas sonnigem, optimistischem Wesen zu verdanken, dass wir (die gelangweilten Bewacher eingeschlossen) immer wieder Mut schöpften. Sie war in der Lage, selbst in absoluter Bedrängnis ein Luftschloss zu bauen, das unserem Gefängnis, dem Innenhof, entschwebte. Sie ist ein Mensch, der nicht einfach positives Denken nutzt, um egoistische Ziele zu erreichen, sondern der eine positive Energie im Herzen trägt und mit allen teilt.
Als wir uns schließlich zur Flucht entschlossen, schaffte sie es außerdem, ihre Ängste zu überwinden. Ein Mensch, der sich vor dunklen Kellern, Hornhaut an den Füßen und Nagetieren fürchtet, bricht in finsterer Nacht aus einem Gefängnis der Taliban aus und marschiert neben mir durch die Wildnis der Stammesgebiete! Eine unglaubliche Frau.
David Och
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