Und Nachts die Angst
zittern. Der Schnürsenkel kitzelt sie am Unterarm, und sie verrenkt sich den Hals, um den Stiefel im Blick zu haben. Sie hebt ihn langsam, ganz langsam, öffnet die Hände, zieht die Bauchmuskeln noch weiter zusammen, senkt den Stiefel Stückchen für Stückchen auf ihre gespreizten Finger herab, lässt ihn – jetzt! – fallen und greift zu.
Keuchend müht sie sich hinauf aufs Bett. Ihre Handgelenke tragen ihr ganzes Gewicht, und das Metall gräbt sich tief in ihre Haut, doch sie lässt den Stiefel nicht los und schiebt sich auf dem Rücken hoch, ans Kopfende, bis sich ihr Gesicht in der Nähe der Stiefelspitze befindet. Sie rutscht noch näher, reißt den Mund auf und klemmt die Stiefelspitze fest zwischen die Zähne.
Die Finger ihrer rechten Hand tasten sich die Schnürsenkel hinauf zur Zunge und suchen ungeschickt nach der kleinen harten Stelle in der winzigen Tasche. Konzentrier dich. Finde das Ding. Ihr Fingernagel stößt auf Metall. Sie drückt ihren Finger hinein, wackelt und pult, bis der Handschellenschlüssel sich lockert. Vorsichtig zupft sie daran. Und dann fällt er heraus, sie hat ihn, er rutscht wieder weg, und sie schreit unwillkürlich auf, fummelt verzweifelt, um ihn zu packen, erwischt ihn und presst ihn mit dem kleinen Finger auf die taube Kante ihrer linken Hand.
Ihre Haut ist von einem Schweißfilm überzogen, die Hände glitschig. Sie hustet und lässt den Stiefel los, schafft es jedoch, den Schlüssel festzuhalten.
Konzentriert verschiebt sie den Schlüssel Millimeter um Millimeter, bis sie ihn mit den kräftigeren Fingern der linken Hand zu packen kriegt.
Unendlich langsam manövriert sie ihn in ihren schwitzigen Fingern, bis er, wie sie glaubt, in die richtige Richtung zeigt. Schweiß rinnt ihr in die Augen. Sie hält den Atem an, drückt und quetscht ihre Handgelenke in Position und presst die Finger mit dem Schlüssel fest zusammen, damit er keinesfalls wegrutschen kann, während sie ihn ans Schlüsselloch führt. Konzentriert schiebt sie das kleine Stück Metall ins Schloss. Um ihn zu bewegen, muss sie ihre Handgelenke schmerzhaft verdrehen, weiter, weiter und noch ein Stück, nur noch ein bisschen … bis sie endlich das kleine metallische Klicken spürt und die Handschellen aufschnappen.
77. Kapitel
D uke steht über der Spüle in der Küche und ist so wütend, dass er kaum denken kann. Er drückt sich den Beutel mit gefrorenen Erbsen an die Schwellung an seinem Hinterkopf. Er hat keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist, wie lange er bewusstlos war. Aber eine Sache weiß er genau: Dafür wird sie büßen. Dafür, für jede Minute Ärger, die sie verursacht hat, und noch viel mehr. Sie wird für alles büßen. Für diese dämlichen Perlen, die ihn zu Fall gebracht haben. Für Vanderholts Dummheit. Für den Verlust von Tilly, Hannah und Abby.
Und vor allem, dass sie ihm eine blutende Wunde am Bein zugefügt hat.
Sein Zorn wird von kalter Berechnung verdrängt, als er im Kopf auflistet, welche Instrumente in der Spielzeugtasche im Kontrollraum verstaut sind. Alle sind dazu da, Schmerz zuzufügen. Welches ist das richtige für diese neugierige kleine Fotze?
Aber da steht es ja direkt vor ihm: der Messerblock. Schöne Idee.
Er wirft den Beutel mit Erbsen in die Spüle und zieht das größte Messer aus dem Ständer. Ah, ja, das wird ihr sicher Angst machen, dieses große, böse Schlachtermesser. Und er wird dafür sorgen, dass es zu ihrem schlimmsten Alptraum wird. Er streicht mit dem Daumen über die Klinge und legt das Messer auf die Theke.
Noch eins? Seine Finger wandern von einem zum anderen, dann nimmt er das kleinste. Er zieht es heraus und hält die Klinge ins Licht: effizient und scharf wie ein Skalpell. Damit wird er ihr die Haut in Streifen abziehen.
Sorgfältig wickelt er das kleinere in ein Geschirrtuch. Das beeindruckende, große Messer packt er, wiegt es in der Hand und verlässt mit beiden die Küche.
Trotzdem kann es nicht schaden, den Rest seiner Ausrüstung zu holen, und auf dem Weg zum Kontrollraum lässt er seiner Phantasie freien Lauf. Das, was das Mädchen in der Vergangenheit erlitten hat, wird angesichts der Dinge, die er ihr anzutun gedenkt, verblassen. Wenn er erst einmal angefangen hat, werden ihr Daryl Wayne Flints Taten vorkommen wie kindische Spielchen.
Er freut sich auf die Schreie, die er aus ihr herausschneiden wird.
Reeve sitzt auf dem Bett, reibt sich die Handgelenke und fühlt sich kraftlos. Das Schreckliche ihrer Lage schwebt einen
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