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Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Norton
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ringt verzweifelt nach Luft, tastet sich weiter. Irgendwo muss es doch ein Fenster geben.
    Hustend stößt sie gegen einen Stuhl auf Rollen, prallt von einem Tisch ab, dreht sich um und sieht Fensterglas vor sich schimmern. Sie stößt Monitore und andere Geräte von einem Tisch. Das Krachen und Splittern ist ohrenbetäubend, als sie unsicher auf die Tischplatte steigt.
    Der Rauchgestank wird immer beißender. Ihr Hals brennt. Keuchend streckt sie die Arme aus und nestelt mit den Fingern am Fensterbrett, fummelt am Riegel herum, versucht ihn zu öffnen. Dann klickt es, und die Scheibe gleitet mit erstaunlicher Leichtigkeit auf.
    Frische Luft strömt herein und bringt das Heulen ferner Sirenen mit, und Reeve stemmt beide Hände aufs Fensterbrett, drückt sich hoch und balanciert einen Moment auf dem Sims, bis sie nackt in die kalte, einladende Dunkelheit purzelt.

80. Kapitel
    I m Overall und mit dem Feuerlöscher bewaffnet, steigt Maggie Shaw über den Zaun und rennt durch das Gebüsch auf das brennende Haus ihres Nachbarn zu. Sie erreicht es nur wenige Augenblicke, bevor der erste Feuerwehrwagen kreischend in die Auffahrt biegt. Wild winkend und rufend hastet sie auf den Löschwagen zu, packt den Ärmel des ersten Feuerwehrmannes, den sie erwischt, und brüllt, dass sie soeben eine nackte Frau aus einem Fenster hat springen sehen.
    Sie finden sie im Carport. Rußverschmiert und blutverklebt sitzt sie im Schneidersitz neben einem offenen Koffer auf dem Boden und trägt blutgetränkte Socken und ein Sweatshirt.
    »Er ist da noch drin!«, krächzt sie und deutet mit einer verwundeten Hand aufs Haus.
    Die Sanitäter müssen ihr gut zureden, damit sie ihnen in den Krankenwagen folgt. Ihre Stimme ist kratzig, sie wirkt desorientiert. Als sie versucht zu erklären, was geschehen ist, sagt man ihr, dass sie es noch ein Weilchen gut sein lassen soll. Für eine Aussage ist später genug Zeit. Ihr Atem geht flach, der Puls jagt, und man diagnostiziert für den Anfang Rauchvergiftung und einen Schockzustand.

    Feuerwehrleute, Ärzte und Polizisten stellen Fragen, und Reeve gibt ihr Bestes, um sie zu beantworten, driftet aber immer wieder ab. Ihre Zunge ist schwer, und der Hals schmerzt höllisch. Sie spürt heiße Nadeln und kalte Hände. Und als der Schmerz sich auflöst, ist sie sich dumpf bewusst, dass hier ein Mittel derselben Art wirkt, wie man es ihr vor vielen Jahren gespritzt hat, nachdem man sie aus dem zertrümmerten Wagen von Daryl Wayne Flint gezerrt hatte.
    Als sie die Augen wieder aufschlägt, befindet sie sich im Krankenhaus.
    »Hey.«
    Sie blickt zu Nick Hudson auf, der neben ihrem Bett auf einem Stuhl sitzt.
    »Wie geht’s Ihnen?«, fragt er.
    Sie zieht sich die Sauerstoffmaske vom Gesicht. Ihre Hände sind bandagiert. »Wissen Sie, was passiert ist?«, krächzt sie.
    »Ja, aber jetzt ist es vorbei, und Sie müssen sich ausruhen, okay?«
    Sie hustet und blickt ihm gepeinigt in die Augen. »Ist er tot?«
    »Ja. Absolut.«
    »Ich hab ihn nicht getötet, oder?«
    »Nein. Das hat das Feuer getan.«
    »Sicher?«
    »Einhundert Prozent.«
    Sie seufzt tief. Er streckt den Arm aus, um ihr über die Stirn zu streichen, und hilft ihr, die Sauerstoffmaske wieder richtig zu plazieren. Sie schließt die Augen, ihr Atem wird ruhiger, und sie ergibt sich einem tiefen, traumlosen Schlaf.
    Als sie das nächste Mal die Augen aufschlägt, ist Nick Hudson verschwunden. Der Gestank von verbranntem Haar dringt in ihre Nase, und sie bemerkt, dass die Sauerstoffmaske weg ist.
    Sie setzt sich vorsichtig auf, sieht sich um und schlägt die Decke zurück. Ihre Beine sind übersät von Schnitten, blauen Flecken und Brandwunden, und Knie und Füße sind verbunden. Eine Weile starrt sie nur darauf. Verdammt. Noch mehr Narben.
    Sie schwingt die Beine aus dem Bett, steht vorsichtig auf und humpelt zwei Schritte durchs Zimmer zu einer Vase mit langstieligen gelben Rosen. Unbeholfen zieht sie den weißen Umschlag zwischen den Blumen hervor. Sogar mit dem Verband um die Finger kann sie einen kleinen, harten, asymmetrischen Gegenstand darin fühlen.
    Sie öffnet den Umschlag und sieht sofort den Schlüssel, der mit einem Klebstreifen auf der Karte befestigt ist. Die Nachricht lautet: »Ich hoffe, Sie werden ihn nie wieder nötig haben, aber für alle Fälle … Nick.«
    Sie steht still da, wiegt den kleinen Schlüssel in der Hand und überlegt, was sie Nick Hudson sagen soll.
    Zwei Minuten später nimmt er ab, und sie dankt ihm für die Rosen.

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