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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Laher
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Vater bald darauf tatsächlich bei ihnen auftauchte, die beiden lebten noch in Tschechien damals, lief es anfangs, wie Monika es befürchtet hatte. Er hatte sich von einem Bekannten chauffieren lassen und eröffnete der Tochter, das koste tausend Kronen. Er habe aber keine tausend Kronen. Der Fremde saß stumm mit am Tisch, machte keine Anstalten zu gehen, verlangte aber auch nichts, bis es Philipp schließlich zu bunt wurde. Er schob ihm den erwarteten Geldschein hin, die Miene des Mannes hellte sich auf, er dankte höflich und verschwand. Philipp ärgerte sich über die Impertinenz von Monikas Vater, er ärgerte sich, sie gedrängt zu haben, Kontakt zu suchen.
    Der Altersunterschied zwischen den beiden Männern war um einiges geringer als der zwischen Philipp und Monika, ihr Vater war erst zweiundvierzig. Auch was die Statur anlangte, ähnelten sie einander auffällig: schlank, mittelgroß, sehnig, aber nicht sonderlich muskulös, schmale Hüften, feingliedrig. Damit freilich erschöpften sich die Gemeinsamkeiten. Zwölf Kinder hatte Monikas Vater insgesamt in die Welt gesetzt, sechs mit seiner zweiten Frau, drei mit Monikas Mutter und drei weitere so nebenbei. Daniel, ihr achtzehnjähriger Halbbruder, war selbst schon wieder dreifacher Vater. Schreiben und lesen kann er genauso wenig wie seine Brüder und Schwestern, keines der Kinder hat je eine Schule von innen gesehen, das ist offenbar möglich im einundzwanzigsten Jahrhundert mitten in Europa.
    Der Vater blieb eine Woche, machte sich im Haushalt nützlich, putzte, wollte den Garten rund um das Häuschen in Ordnung bringen. Das kannst du bleiben lassen, ließ Philipp Monika übersetzen, wir ziehen bald weg. Unbeholfene Gesten schienen es zu sein, die wohl bedeuten sollten, schaut her, ich bin kein Unmensch und will auch kein Schmarotzer sein. Er spürte die Verachtung seiner Tochter, was er in Ansätzen über sein Leben während der letzten fünfzehn Jahren erzählte, machte Monika nur noch wütender. Am liebsten hätte sie gar nichts aus dieser Zeit erfahren, nur über die Großmutter wollte sie etwas wissen, aber mit der Mutter seiner ersten Frau hatte er wenig Kontakt gehabt.
    Erst gegen Schluß seines Aufenthalts entkrampfte sich das Verhältnis merklich, zögerlich begann der Vater, etwas persönlicher über sich zu sprechen, über ganz früher, seine eigene trostlose Kindheit, wie er als unbeleckter Halbwüchsiger die Mutter kennengelernt hatte, die ihm vom ersten Tag an haushoch überlegen gewesen sei, älter, erfahrener, gescheiter und vor allem überhaupt nicht so, wie die gesamte Umgebung eine Romni sehen wollte. Das ist vom Kinderheim gekommen, in dem sie aufwuchs, gab er sich überzeugt, und es ließ sich nicht eindeutig heraushören, ob er es kritisch meinte. Manchmal standen ihm beim Erzählen Tränen in den Augen, und in solchen Momenten wünschte sich Monika manchmal, ihn lieben zu können.
    Immerhin hing sie jetzt gebannt an seinen Lippen, denn es war die verschüttete Welt ihrer ersten Jahre, die er da stockend aus seiner Erinnerung hervorkramte. Vor allen Dingen die Geschichten über ihre ferne, zur Ikone entrückte Mutter sog sie begierig ein, und als er endlich per Bahn abreiste, Philipp finanzierte ohne Murren das Ticket, wollte sie einen weiteren Gegenbesuch nicht mehr ausschließen. Der verlief einige Wochen später weitgehend komplikationslos, wenn man davon absieht, daß die sprachlichen und stärker noch die kulturellen Barrieren eine reibungslose Kommunikation ziemlich erschwerten.
    Die Frau des Vaters bemühte sich sichtlich um die Gäste, ständig stellte sie etwas zu essen und zu trinken auf den Tisch ihrer unvorstellbar kargen Behausung. Sie war, schien es, von einfacherem Gemüt, sprach ausschließlich Romanes, und Philipp bewunderte Monika, die problemlos zwischen Deutsch und Slowakisch mit tschechischen Einsprengseln hin und her hüpfte, nach Anlaufschwierigkeiten auch immer flüssiger aus dem und in das Romanes übersetzte, ohne je den Faden zu verlieren.
    Noch konnte sie diese Welt verstehen, aus der sie stammte, in die sie jetzt für wenige Tage als Besucherin zurückkehrte, soweit sie, wie alle Welten, überhaupt zu verstehen war, aber wenn Philipp wieder einmal verwundert die Brauen hochzog, weil ihm äußerst merkwürdig vorkam, was sie da soeben verdolmetscht hatte, mußte sie ihm oft genug die erwartete Erklärung schuldig bleiben.
    Umgekehrt dieselbe Fassungslosigkeit: Zum Beispiel trug Monika am liebsten

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