TS 07: Die Außerirdischen
1. Kapitel
Der Sonnenuntergang war von einmaliger Pracht. Die verschiedenen Farben dünkten Lockhart wie eine Natursinfonie, wie sie schöner nicht erdacht werden konnte. Die Erde ist wahrhaftig wunderschön, dachte er, während er wieder zu dem alten Mann hinüberblickte, der an dem Marmortisch des Cafes saß und starb. Ohne Zweifel starb er, denn sein Atem ging keuchend und hastig, als wolle er sich beeilen, noch soviel kostbare Luft wie eben möglich in die verbrauchte Lunge zu pumpen.
Er wartete, bis der Wagen hielt, der Hedleys Leute brachte. Der Agent kam zu ihm und blieb neben ihm stehen. Lockhart hörte, wie er plötzlich scharf die Luft einsog und folgte seinem Blick. Der Sterbende hatte Gesellschaft bekommen. Zwei junge Menschen sprachen eindringlich auf ihn ein, sie schienen ihn etwas zu fragen.
Das Mädchen war südländischen Typs, besaß eine fast klassischschöne Nase und dunkelbraune Haare. Ihre Figur zog die Aufmerksamkeit vorbeihastender Studenten auf sich und es fielen oft anzügliche Bemerkungen. Ihr Begleiter, ein junger Mann, konnte kaum als Schönheit bezeichnet werden, aber eine gewisse Stattlichkeit war ihm nicht abzusprechen.
Das Mädchen stellte eine Frage an den sterbenden Mann, wartete vergeblich auf Antwort und fragte dann noch einmal. Lockhart kam es plötzlich zum Bewußtsein, daß er das Mädchen kannte.
„Was sagt sie?“ fragte der Agent. „Welche Sprache benutzt sie?“
Er hatte leise gesprochen, damit niemand verstand, was er sagte.
„Sie sind zu weit weg, Hedley. Aber eines kann ich Ihnen versichern: Sie gehört nicht zu jenen, die Sie suchen. Ich kenne sie.“
„Sie kennen das Mädchen? Wie lange kennen Sie sie denn schon?“
„Seit gestern; ich habe sie am Abend im Konzert gesehen, aber nicht mit ihr gesprochen.“ Er stockte. Wie sollte er dem Agenten das nur erklären? „Sie ist einfach nicht der Typ dazu, Hedley. Ich fühle das.“
„Ihre Gefühle!“ knurrte Hedley geringschätzig und sah aufmerksam zu dem Paar hinüber, das auf den Sterbenden einsprach. „Das ist das erste Mal, daß ich Gelegenheit habe, jemand mit einem der alten Männer sprechen zu sehen. Es können Agenten sein, es können auch harmlose Menschen sein! Alles ist möglich. Was immer Sie also fühlen, Doktor, ich werde sie verfolgen lassen.“
Er zog ein Taschentuch hervor, schüttelte es zweimal, ehe er sich damit die Nase putzte. Mehr als fünfzig Meter entfernt kletterte ein Mann aus dem Auto und mischte sich unter die Menge, die auf dem Boulevard Saint Michel auf- und abströmte. Das junge Paar hatte somit einen Schatten erhalten, der es nicht mehr aus den Augen lassen würde.
Lockhart ärgerte sich ein wenig, denn er gab allerhand auf Gefühle. Seit er Hedley wiedergesehen hatte, war er nervös. Daran war der Auftrag schuld, den dieser ihm aufgehängt hatte.
*
Seit dem Kriege hatten sie sich nicht mehr gesehen. Damals war Lockhart in einem Feldlazarett beschäftigt gewesen und tat den ganzen Tag nichts anderes, als Männer zusammenzuflicken, damit diese erneut in ihre Bombenflugzeuge steigen konnten. Hedley allein hatte ihn einen ganzen Tag in Anspruch genommen, und die folgende halbe Nacht dazu. Zwar waren es meist nur Fleischwunden gewesen, aber der Mann mußte mindestens zwei Kilometer durch den Schlamm gekrochen sein, ehe man ihn gefunden und verbunden hatte. Das Fieber konnte zwar durch etliche Injektionen ein wenig heruntergedrückt werden, aber trotzdem hatte Hedley in der Nacht phantasiert und Lockhart konnte manches hören, was nicht für seine Ohren bestimmt gewesen war.
Hedley war Offizier des Geheimdienstes. Dieses Wissen allein hätte Lockhart kaum zu erschüttern vermocht, aber da war noch etwas anderes: man hatte ihn nicht allein mit dem Fiebernden gelassen! Ständig befanden sich zwei oder drei Offiziere mit ihm im Krankenzimmer und lauschten auf jedes Wort, das der Verwundete von sich gab. Einer der Offiziere war stets unterwegs, das Erlauschte weiterzugeben. Und als die Krisis überschritten war, verschwand Hedley. Das allein bestätigte Lockharts Vermutungen, eine äußerst wichtige Persönlichkeit behandelt zu haben.
Doch bevor Hedley verschwand, hatte er Lockhart die Hand gedrückt und ihm für seine Mühe gedankt. Er hatte ihn außerdem gebeten, kein Wort über das zu verlieren, was er vielleicht gehört habe, wenigstens nicht eher, bis er – Hedley – seine Memoiren geschrieben habe.
Lockhart hatte sein Versprechen gehalten und niemals
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