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...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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Nein, eigentlich nicht, wenn man die Umstände bedenkt. Das, was mir geschehen war, gehört meiner Meinung nach zu den Dingen, die einen Menschen zum Mord treiben können. Und hätte mich nicht mein leichter, ganz leichter Hang zum Sadismus bewogen, nach einer subtileren und empfindlicheren Strafe für mein Opfer zu suchen, so wäre ich vielleicht wirklich zum Mörder geworden. Aber ich fand, ein bloßer Mord sei zu gut für diese Frau, ganz abgesehen davon, dass er für meinen Geschmack viel zu roh war. Ich beschloss also, eine originellere Methode zu ersinnen.
    Von Natur aus neige ich nicht zum Intrigieren. Ich halte das für eine abscheuliche Unsitte und habe darin nicht die geringste Übung. Aber Wut und Hass können den Geist eines Menschen in erstaunlichem Maße umstimmen. Schon bald hatte ich einen Plan gefasst undentwickelt – einen Plan, der so raffiniert und erregend war, dass ich die Einzelheiten mit wachsender Begeisterung ausarbeitete. Schließlich, nachdem ich mich noch über ein, zwei unbedeutende Einwände hinweggesetzt hatte, war meine verbohrte, rachsüchtige Stimmung völlig einem Gefühl triumphierender Freude gewichen. Ich erinnere mich, dass ich wie ein Idiot im Bett auf und ab hüpfte und in die Hände klatschte. Gleich darauf hatte ich das Telefonbuch auf dem Schoß und suchte fieberhaft einen bestimmten Namen. Ich fand ihn, nahm den Hörer ab und wählte die Nummer.
    «Hallo», sagte ich. «Mr.   Royden? Mr.   John Royden?»
    «Am Apparat.»
    Nun, es war nicht schwer, den Mann zu überreden, dass er mir einen kurzen Besuch abstattete. Wir waren einander noch nie begegnet, aber natürlich kannte er mich dem Namen nach als Besitzer einer großen Gemäldesammlung und als geachtetes Mitglied der Gesellschaft, und er glaubte zweifellos, einen dicken Hecht an der Angel zu haben.
    «Lassen Sie mich sehen, Mr.   Lampson», sagte er. «Ja, in etwa zwei Stunden könnte ich kommen. Passt es Ihnen dann?»
    Das sei mir sehr recht, erwiderte ich, gab ihm meine Adresse und legte auf.
    Ich sprang aus dem Bett. Es war erstaunlich, wie frisch und munter ich mich plötzlich fühlte. Eben noch hatte ich mich tief verzweifelt mit Mord- und Selbstmordgedanken herumgeschlagen, und jetzt pfiff ich in der Badewanne eine Arie von Puccini. Immer wieder ertappte ich mich dabei, dass ich mir mit teuflischem Grinsen die Hände rieb, und als ich während der Morgengymnastik bei einer Kniebeuge das Gleichgewicht verlor, blieb ichauf dem Fußboden sitzen und kicherte wie ein Schuljunge.
    Zur verabredeten Zeit wurde Mr.   Royden in meine Bibliothek geführt. Ich erhob mich, um ihn zu begrüßen. Der Maler war ein zierlicher kleiner Mann mit einem rötlichen Spitzbart. Er trug eine schwarze Samtjacke, eine rostbraune Krawatte, einen roten Pullover und schwarze Wildlederschuhe. Ich schüttelte seine zierliche kleine Hand.
    «Nett von Ihnen, dass Sie so schnell gekommen sind, Mr.   Royden.»
    «Aber ich bitte Sie, Sir.» Seine Lippen – wie die Lippen fast aller bärtigen Männer – schimmerten so rot zwischen all dem Haar, dass sie feucht, nackt und ein bisschen obszön wirkten. Nachdem ich ihm noch einmal versichert hatte, wie sehr ich seine Bilder bewunderte, kam ich zur Sache.
    «Mr.   Royden», sagte ich, «mein Anliegen an Sie ist etwas ungewöhnlich und durchaus privater Natur.»
    «Ja, Mr.   Lampson?» Er saß mir gegenüber im Sessel und neigte den Kopf mit einem Ruck zur Seite, flink und keck wie ein Vogel.
    «Ich verlasse mich natürlich darauf, dass Sie alles, was ich sage, mit äußerster Diskretion behandeln.»
    «Selbstverständlich, Mr.   Lampson.»
    «Gut. Die Sache ist die: Es gibt hier in London eine Dame, deren Porträt ich gern von Ihnen malen lassen möchte. Ich wünschte nichts sehnlicher, als ein schönes Bild von ihr zu besitzen. Aber das ist etwas schwierig. Aus bestimmten Gründen lege ich nämlich keinen Wert darauf, dass sie erfährt, wer das Bild in Auftrag gegeben hat.»
    «Sie meinen   …»
    «Genau, Mr.   Royden. Genau das meine ich. Sie, ein Mann von Welt, werden mich gewiss verstehen.»
    Sein falsches kleines Lächeln drang eben noch durch den Bart, als er zustimmend nickte.
    «Ist es nicht denkbar», fuhr ich fort, «dass ein Mann – wie soll ich mich ausdrücken? – für eine Dame entflammt ist, jedoch gute Gründe hat, sie das nicht wissen zu lassen?»
    «Aber ja, Mr.   Lampson.»
    «Wer auf Beute ausgeht, muss sich oft langsam heranpirschen und geduldig warten, bis der

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