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...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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nicht wahr sein!»
    «Warum denn nicht?»
    «Soll das heißen, dass er alle seine Modelle so malt?»
    «Ja. Und der Witz ist, dass die Ehemänner keine Ahnung davon haben. Alles, was sie sehen, ist ein nettes,vollständig bekleidetes Porträt ihrer Frau. Natürlich sind Aktbilder nicht im Geringsten anstößig. Jeder Künstler malt so etwas. Aber unsere kindischen Ehemänner können das eben nicht verstehen.»
    «Mein Gott, der Mann hat Nerven!»
    «Er ist ein Genie.»
    «Ich wette, er hat die Idee von Goya.»
    «Unsinn, Lionel.»
    «Doch, ganz bestimmt. Hör mal, Gladys, etwas würde mich noch interessieren. Hast du von dieser   … dieser sonderbaren Technik gewusst, bevor du zu Royden gingst?»
    Als ich die Frage stellte, wollte Gladys gerade den Cognac eingießen. Sie hielt inne, wandte den Kopf und sah mich an. Um ihre Mundwinkel spielte ein geschmeidiges kleines Lächeln. «Zum Teufel mit dir, Lionel», sagte sie. «Du bist viel zu schlau. Du lässt einem auch gar nichts durchgehen.»
    «Also hast du’s gewusst?»
    «Natürlich, Hermione Girdlestone hat es mir erzählt.»
    «Das habe ich mir ja gleich gedacht.»
    «Na und? Was ist denn dabei?»
    «Nichts», versicherte ich. «Überhaupt nichts.» Jetzt war mir alles klar. Dieser Royden war wirklich ein Gauner und bediente sich des geschicktesten psychologischen Tricks, von dem ich je gehört hatte. Der Kerl wusste nur zu gut, dass es in London eine Menge reicher Nichtstuerinnen gab, die mittags erst aufstanden und sich die Zeit bis zur Cocktailstunde mit Bridge, Canasta und Einkäufen vertrieben. Alles, wonach sie verlangten, war ein bisschen Aufregung, eine kleine Sensation – je teurer, desto besser. O ja, wenn es im Atelier des Malers so unterhaltsam zuging, dann hatte sich diese Nachrichtzweifellos schneller als die Pocken unter den Frauen verbreitet. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sich die große, dicke Hermione Girdlestone über den Canasta-Tisch beugte und begeistert erzählte: «Aber, meine Liebe, es ist einfach faszinierend   … Du glaubst gar nicht,
wie
aufregend es ist   …
Viel
amüsanter, als wenn man zum Arzt geht   …»
    «Du behältst es doch für dich, Lionel, nicht wahr? Du hast es versprochen.»
    «Ja, natürlich. Aber jetzt muss ich gehen, Gladys. Wirklich.»
    «Sei nicht albern. Ich fange gerade an, mich wohl zu fühlen. Warte doch wenigstens, bis ich ausgetrunken habe.»
    Ich blieb geduldig auf dem Sofa sitzen, während sie sich mit ihrem Cognac beschäftigte. Die kleinen, in Fett eingebetteten Augen beobachteten mich wieder in dieser boshaft lauernden Art von der Seite. Ich hatte das deutliche Gefühl, dass Gladys noch mehr unangenehme oder skandalöse Dinge in petto hatte. Ihr Blick erinnerte mich an den einer Schlange, und ihre Lippen kräuselten sich ganz eigenartig. Vielleicht war es nur Einbildung, aber ich glaubte, Gefahr zu wittern.
    Und plötzlich, so unerwartet, dass ich zusammenfuhr, sagte sie: «Lionel, stimmt es, was ich über dich und Janet de Pelagia gehört habe?»
    «Gladys, bitte   …»
    «Oh, du wirst ja ganz rot!»
    «Unsinn.»
    «Sieh einer an, den alten Junggesellen hat’s also doch noch erwischt.»
    «Gladys, das ist zu abgeschmackt.» Ich wollte aufstehen, aber sie legte die Hand auf mein Knie und zwang mich, sitzen zu bleiben.
    «Hast du noch immer nicht gelernt, dass es keine Geheimnisse gibt?»
    «Janet ist einfach ein nettes Mädchen.»
    «Nun, als
Mädchen
kann man sie wohl kaum noch bezeichnen.» Gladys Ponsonby blickte in das große Cognacglas, das sie mit beiden Händen umschlossen hielt. «Aber sie ist natürlich in jeder Beziehung ein wunderbarer Mensch, da hast du recht, Lionel. Nur», sie sprach jetzt sehr langsam, «nur, dass sie manchmal
sehr
merkwürdige Sachen sagt.»
    «Was für Sachen?»
    «Ach   … eben Sachen. Über Leute, weißt du. Über dich.»
    «Was hat sie über mich gesagt?»
    «Nichts, Lionel. Es würde dich nicht interessieren.»
    «Was hat sie über mich gesagt?»
    «Wozu soll ich das wiederholen? Wirklich, es lohnt nicht. Ich war nur im ersten Augenblick etwas verblüfft, als sie es sagte.»
    «Gladys, was hat sie gesagt?» Während ich auf ihre Antwort wartete, fühlte ich, wie mir am ganzen Körper der Schweiß ausbrach.
    «Hm, ja, lass mich mal überlegen. Natürlich war es nur ein Scherz von ihr, sonst würde ich ja nie mit dir darüber reden, aber ich glaube, sie hat gesagt, dass sie es ein bisschen langweilig findet   …»
    «Was?»
    «Fast jeden Abend mit dir

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