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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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musterte er seinen Enkel scharf über die markante Nase hinweg. »Und jetzt?«
    »Was weiß ich? Zuerst bin ich mal ledig und arbeitslos. Ich hab nicht vor, daran sehr schnell was zu ändern.«
    »Gut so. Würd mich freuen, wenn was von deiner Freizeit hierblieb.«
    Andreas nickte und stopfte sich die nächste Pfeife. Seine Zunge würde sich am nächsten Morgen anfühlen wie ein empfindsames Waschbrett. Aber das spielte keine Rolle.
    Plötzlich fiel ihm ein, daß er etwas Wichtiges vergessen hatte. Er blickte auf die Uhr. »Gerade noch Zeit«, sagte er.
    Der Großvater blickte ihn fragend an.
    »Ah, ich hab was vergessen, nen Termin morgen früh. Geld, weißt du, Versicherung und Bank und so was. Vor zwei Wochen festgemacht. Entweder muß ich den morgen früh absagen oder noch kurz mit Irene sprechen. Wenn ich Glück hab, ist sie noch im Laden. Wo ist das nächste Telefon?«
    Der alte Mann hatte sich immer geweigert, sinnlose Dinge wie ein Telefon oder einen Kühlschrank anzuschaffen; Andreas hatte bereits heimlich gehofft, mit dem – wie auch immer zweckentfremdeten – kleinen Kühlschrank sei vielleicht auch ein Telefon ins Haus gekommen. Der Großvater deutete mit dem Pfeifenstiel in die ungefähre Richtung der Bundesstraße.
    »Wenn du hinkommst, links, ungefähr vier Kilometer.«
    Andreas nickte und erhob sich. »Bin gleich wieder da.«
    Mit einigermaßen schlechtem Gewissen stieg er in seinen Wagen. Auf der kurzen Strecke würde wohl kein Ortssheriff mit Blaseröhrchen lauern. Er hatte Glück, führte ein kurzes Gespräch mit Irene und fuhr wieder zurück.
    »Hm?«
    »Ich treff sie morgen ganz früh in ihrer derzeitigen Wohnung.«
    »Hm?«
    »Ein Jurist, Anwalt.«
    »Hm!«
    Andreas grinste; er kannte und teilte die Meinung seines Großvaters über Juristen. Er setzte die gestopfte Pfeife in Brand.
    »Großvater«, sagte er paffend, »du hast Irene nie so richtig gemocht, oder?«
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Hab gedacht, vielleicht ändert sie sich noch. Hat sie aber nicht. War zu – eh, stromlinienförmig. Kein Windwiderstand. Klar, sie weiß, was sie will. Karriere. Geld. Ansehen. Mode. Wollte sie immer schon, hast du aber nicht kapiert, Trottel. Dir ging's um Streicheln, Wärme und Persönlichkeit, eh? War nix. Junge.«
    »Warum hast du mir ...«
    »Wenn ich was gesagt hätte, hättst du's geglaubt?«
    »Nee.«
    »Eben.«
    Sie spielten noch viele Partien und leerten noch mehrere Flaschen. Irgendwann nachts, in einem knarrenden Bett, erwachte Andreas und starrte an die niedrige Decke. Der Morgenstern trieb schon sein Unwesen, und das mattgraue Licht zeichnete Gaukler auf die Wände. Da kicherte Andreas und fühlte sich wohl. Und während er noch überlegte, weshalb er wohl gekichert hatte, schlief er schon wieder ein.
    Kurz vor sechs, als er seinen Großvater in der Küche rumoren hörte, stand er auf. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber es war schon fast hell und klar. Es würde wieder ein sehr schöner Herbsttag werden. Nach einem schnellen Kaffee und einer Scheibe Weißbrot mit Butter und Honig brach Andreas auf. Poe, der die Nacht in einem Haufen Holzwolle verbracht hatte, war unwirsch. Sein Frühstück hatte nur aus Brot und Käse bestanden. Wahrscheinlich fehlte ihm der Kaviar. Fröhlich pfeifend, später ganz in erfreuliche Gedanken versunken, fuhr Andreas eine Weile kreuz und quer über Landstraßen, durch ihm unbekannte Dörfer, Berge hinauf und wieder hinunter, durchquerte grüne Täler, überfuhr einmal beinahe ein Schaf. Irgendwo tankte er seinen Wagen nach, winkte dem Tankstellenpächter oderbesitzer freundlich zu und fuhr weiter.
    Gegen halb neun fand er in der Nähe der Wohnung des Juristen einen Parkplatz. Er lief, mit Poe auf der Schulter, durch die morgenstille Straße der Bonner Nordstadt. Irene, dachte er dabei spöttisch, wird sich freuen, wenn ich das liebe Tier zum Rendezvous mitbringe.
    Im Parterre eines stattlichen Altbaus mit gepflegter Jugendstilfassade betrieb Robert zusammen mit zwei Kollegen eine Anwaltspraxis samt Notariat. In der ersten Etage wohnte einer der Kollegen, in der zweiten er, und mit ihm neuerdings Irene.
    Vor der Haustür standen zwei uniformierte Polizeibeamte. Andreas wollte an ihnen vorüber. Sie hielten ihn auf.
    »Wer sind Sie bitte?« fragte einer.
    Andreas nannte seinen Namen, verwundert. Die beiden Männer nickten einander zu.
    »Herr Goldberg«, sagte der linke, irgendwie ernst, »begleiten Sie uns bitte. Es handelt sich um eine

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