Und trotzdem ist es Liebe
sie geliebt. Wirklich. Aber dich liebe ich mehr. Und das trifft’s nicht mal annähernd.»
Das war das Beste, was jemals jemand zu mir gesagt hatte, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: Mir ging es genauso. Der Mensch, der mich so liebte, war der Mensch, den ich auch liebte – und das kann einem wie ein absolutes Wunder erscheinen. Es ist ein absolutes Wunder.
Deshalb war ich nicht überrascht, als Ben mich ein paar Wochen danach fragte, ob ich ihn heiraten wolle. Und sieben Monate später, am Jahrestag unseres ersten Dates, brannten wir zusammen durch und gaben uns an einem idyllischen weißen Strand auf St. John das Jawort. Unsere Familien waren nicht begeistert, aber wir wollten diesen Tag für uns ganz allein haben. Ich weiß noch, dass ich gleich nach dem Eheversprechen auf das Meer hinausschaute und dachte, dass es jetzt nur uns beide gab; unser gemeinsames Leben erstreckte sich endlos weit in die Zukunft. Nichts würde sich jemals ändern, nur Falten und graue Haare würden dazukommen und wunderbare, erfüllende Erinnerungen.
Natürlich kam das Thema Kinder in unserer ersten Zeit als Jungvermählte oft zur Sprache, aber nur als Reaktion auf plumpe Nachfragen von allen möglichen Leuten hinsichtlich unserer Fortpflanzungspläne: von Bens Familie, von meiner Familie, von Freunden und x-beliebigen Müttern im Park und sogar von der Frau in unserer Textilreinigung.
«Wir wollen keine Kinder», antwortete dann einer von uns nüchtern, und dann mussten wir das unweigerlich darauf folgende Geschwätz über uns ergehen lassen und uns anhören, wie sehr Kinder doch das Leben bereicherten.
Auf einer Buchparty erzählte mir eine Lektorin ganz unverblümt, wenn ich nicht irgendwann Kinder bekäme, wäre mein Leben «sinnlos». Eine ziemlich extreme Behauptung. Ich glaube, ich antwortete so etwas wie: «Oje, dann kann ich mich ja eigentlich auch sofort aufhängen, was?» Sie tat, als hätte sie mich nicht gehört, und redete weiter von ihren Kindern.
Eine andere weitverbreitete Reaktion war das mitfühlende Kopfnicken von Leuten, die glaubten, dass wir eine schmerzhafte Wahrheit zu verbergen hätten: unsere Zeugungsunfähigkeit nämlich. Wie zum Beispiel eine College-Freundin von Ben, die mir einmal eine Visitenkarte zusteckte, auf deren Rückseite sie Adresse und Telefonnummer ihrer Fruchtbarkeitsklinik gekritzelt hatte. Ich gab sie Ben, und der verkündete sofort, er habe sich ein paar Monate nach der Hochzeit sterilisieren lassen. Das stimmte nicht – ich nahm die Pille –, aber sein Statement hatte etwas an sich, das sie beschämte und verstummen ließ.
Und das letzte immer wiederkehrende Leitmotiv in der ganzen Oper war: «Wer wird sich denn um euch kümmern, wenn ihr alt seid?» Ben und ich sagten dann: «Wir.» Und ihre (unglaubliche) Antwort war: «Aber wenn einer von euch stirbt?» An dieser Stelle wurde die Sache wirklich heiter. Gelegentlich wies ich darauf hin, dass die Altenheime voll von Leuten sind, deren Kinder niemals zu Besuch kommen. Dass Kinder keine Garantie für irgendetwas sind. Ein Kind konnte zu einem armen, erfolglosen Künstler heranwachsen. Aus einem Kind konnte ein selbstsüchtiger, nichtsnutziger Erwachsener werden. Man konnte ein Kind mit besonderen Bedürfnissen bekommen, das unfähig wäre, für sich selbst zu sorgen, geschweige denn für seine alten Eltern. Per saldo waren Ben und ich uns darüber einig, dass die eigene Versorgung ohnedies ein dummer und selbstsüchtiger Grund war, sich fortzupflanzen. Lieber wollten wir arbeiten und unser Geld sparen, statt einer künftigen Generation zur Last zu fallen.
Aber mit der Zeit lernten wir, über all das den Mund zu halten. Das war viel einfacher. Wir wechselten dann einfach einen wissenden Blick und sprachen später darüber. Wir ärgerten uns über die engstirnige Annahme, Kinder seien eine Selbstverständlichkeit, aber zugleich genossen wir das unterschwellige, wohlige Gefühl, in einer kinderfreien Verbindung zu leben. In unserer Beziehung ging es um Freiheit, um Möglichkeiten, um neue Erfahrungen. Wir waren zusammen, weil wir zusammen sein wollten . Nicht weil wir einen Partner für die Elternschaft brauchten oder weil Kinder uns verbanden und uns mit einer achtzehn Jahre währenden Verpflichtung fesselten.
Und dann, wir waren ungefähr zwei Jahre verheiratet, änderte sich etwas.
Anfangs war es kaum spürbar; das ist typisch für Veränderungen in einer Beziehung, und deshalb war es schwierig, den genauen Anfang zu
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