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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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unbeholfen in der Hand. Wenn sie überhaupt einen Plan hatte, dann den, an der Veranda vorbei zur Hausecke zu gelangen, wo er sie nicht sehen konnte, ohne ein Fenster zu öffnen und sich hinauszulehnen. Er drehte sich wieder zu ihr um. Jetzt konnte sie den Umriss seines Gesichts erkennen, seine Augen, die im Dämmerlicht des Vorderzimmers glitzerten. Er hob die Magnum. Sie hörte den Atem in ihrer Brust rasseln, das Heulen der Frauen und Kinder, das Wispern von Reifen auf Erde und Kies, und sie wusste, dass sie es nicht rechtzeitig in den Schutz des Hauses schaffen würde.
    O Gott o Gott o Gott o Gott  – sie hörte den Schuss, höher und genauer als die beiden letzten Schüsse, und warf sich in Richtung des groben Steinfundaments, rollte sich in seine kühle Feuchte. Der Aufprall lähmte, betäubte sie, und sie stützte sich mit einer Hand ab, während sie versuchte, ihre Waffe mit der anderen in Schussposition zu bringen, und die ganze Zeit fragte sie sich: Wo ist sie? Wo hat er mich getroffen?
    Dann klärte sich ihr Verstand, und sie sah zurück in den Hof. Ein großer roter Pick-up stand auf der Zufahrt – quer, nicht mit der Schnauze nach vorn wie ihr Streifenwagen. Russ Van Alstyne, der Polizeichef von Millers Kill, hatte die Arme auf die Motorhaube gestützt, die Glock fest in beiden Händen, die Mündung zur Veranda gerichtet. Ihr wurde klar, dass sie seine Waffe gehört hatte.
    »Alles in Ordnung, Knox?« Van Alstyne ließ das Fenster nicht aus den Augen.
    »Ja.« Sie kämpfte sich in eine sitzende Position. »Ich meine, ja, Sir.«
    »Bleiben Sie dort. Nicht bewegen.« Sie schaute nach oben. Ungefähr anderthalb Meter über ihr spiegelte ein Fenster den Ahorn, der gegenüber stand. Hadley presste sich an die Hausecke, zog die Beine an, tat ihr Bestes, sich unsichtbar zu machen.
    »Wenn du noch mal schießt, knall ich eine von denen hier ab, ich schwör’s«, brüllte der Mann. »Ich baller einer von den Nutten den Kopf weg!«
    Chief Van Alstyne hob die Hand, um zu zeigen, dass sie leer war, und legte mit der anderen vorsichtig seine Waffe auf die Motorhaube. Hadley hörte Reifen knirschen. Ein weiterer Streifenwagen tauchte auf, hielt neben dem Chief. Die Tür auf der abgewandten Seite sprang auf. Sie sah flüchtig einen leuchtend roten Schimmer und dann eine struppige graue Bürste. Kevin Flynn und Deputy Chief MacAuley. MacAuley und der Chief führten ein kurzes, unhörbares Gespräch.
    »Was ist los?«, schrie der Bewaffnete.
    Der Chief konnte sich weithin verständlich machen, ohne zu schreien. »Mein Deputy sagt, dass das Sondereinsatzkommando unterwegs ist. Sie haben nicht das geringste Interesse, mit Ihnen zu reden. Ich schon.«
    »Fick dich!«, brüllte der Mann. Bei dem Klang seiner Stimme, so nah, bekam Hadley eine Gänsehaut.
    »Kommen Sie, Mann, reden Sie mit mir.« Der Chief klang, als würde er dem Schützen am liebsten ein Bier spendieren. »Was wollen Sie tun, eine von ihnen erschießen? Einen von uns? Die schicken Sie nach Clinton, lebenslänglich, ohne jede Chance auf Bewährung. Wozu? Ist eine dieser Nutten den Rest Ihres Lebens wert?«
    Hadley spürte, wie der Schock, den Chief so reden zu hören, in ihrem Rücken prickelte. War das derselbe Typ, der sich entschuldigte, wenn er gedankenlos in ihrer Gegenwart fluchte?
    »Kommen Sie«, fuhr der Chief fort. »Sie legen Ihre Waffe hin, ich lege meine weg, und wir behandeln das hier als öffentliche Ruhestörung im betrunkenen Zustand. Sie kriegen dreißig Tage Knast und können Kabelfernsehen und Klimaanlage genießen.«
    »Ich will keinen Ärger«, brüllte der Mann. »Ich und meine Brüder wollen nur das, was uns gehört. Hörst du?« Seine Stimme änderte sich, als hätte er sich vom Fenster abgewandt und schrie die Menschen hinter sich an. »Ja, ich rede mit dir, Mädchen. Willst du mich hinhalten?«
    Auf der Zufahrt hatten sich Flynn und MacAuley rechts und links vom Chief postiert. Van Alstyne deutete auf Hadley, dann zur Rückseite des Hauses, dann auf seine Augen. Sehen Sie nach, was hinten ist. Sie nickte, ließ sich zu Boden sinken und kroch auf Händen und Knien zur Rückseite des Hauses. Es erinnerte sie an das lustige salamanderartige Kriechen von Hudson als Baby, der im Gegensatz zu ihr allerdings keinen klobigen Gürtel und eine immer schwerer werdende Waffe mitgeschleppt hatte.
    Der Chief redete weiter über das Wetter und die Hitze und – um Himmels willen! – bot dem Typen tatsächlich was Kaltes zu trinken an.

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