Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall
Leeuwen.«
»Danke, Doktor«, sagte der Commissaris. »Schicken Sie mir den schriftlichen Bericht trotzdem so schnell wie möglich zu.«
»Gespickt mit Fachausdrücken im schönsten Medizinerlatein, wie Sie es mögen«, sagte der Pathologe, aber dann veränderte seineStimme sich plötzlich und nahm einen reuigen Ton an. »Entschuldigen Sie, Mijnheer, das war eine dumme Bemerkung, ich habe nicht nachgedacht.« Er räusperte sich verlegen. »Wie geht es ... Geht es Ihrer Frau einigermaßen?«
»Danke, dass Sie nicht gefragt haben, ob es ihr gut geht«, sagte Van Leeuwen.
»Also, ich mach mich dann mal wieder an die Arbeit«, sagte Holthuysen. »Hier unten kriegt man ja gottlob nicht mit, was draußen für ein Tag ist. Übrigens, falls ich mal wieder das Bedürfnis verspüren sollte, Sie mitten in der Nacht anzurufen: Schlafen Sie inzwischen besser?«
»Ich schlafe ruhiger«, sagte der Commissaris, »nicht besser.«
Er legte auf und betrachtete das Foto des toten Inders. Warum hast du dich nicht gewehrt? , dachte er. Was hast du auf dem Hausboot gemacht? Vor wem hast du dich da versteckt? Es war kein sehr gutes Versteck, oder?
»Ungefähr zwanzigtausend«, sagte Gallo. »Inder in Holland. Ich habe gerade mit dem Meldeamt gesprochen – zwanzigtausend, die einen indischen oder einen niederländischen Pass haben. Außerdem gibt es noch rund hundertachtzigtausend Surinamer, die in Indien geboren sind.« Er legte einen Computerausdruck auf Van Leeuwens Schreibtisch. »Der Bericht der Spurensicherung. Wie immer ein Dokument sprachlicher Gewandtheit. Irgendwann werden die alten Burschen in Stockholm nicht mehr darum herumkommen, den gesamten Technischen Dienst mit dem Literaturnobelpreis auszuzeichnen.«
Während der Computer weiter nach passenden Fingerabdrücken suchte, vertiefte der Commissaris sich in die vorläufige Analyse der Tatortuntersuchung. Die Techniker hatten Blut, Fingerabdrücke und Fußspuren registriert. Die Fingerabdrücke gehörten dem Opfer und dem Besitzer des Boots. Es gab noch mehrere ältere Abdrücke, aber keine, die sich dem Zeitraum der Mordnacht zuordnen ließen. Schmierspuren auf dem Gangwaygeländer deuteten darauf hin, dass der oder die Täter ihre eigenen Fingerabdrücke abgewischt hatten.
Das Blut der Gruppe AB positiv fand sich in kleinen Mengenan Land und in größeren an Bord des Hausboots, vor allem unter Deck, wo das Opfer gestorben war. Es war in die Kleidung des Toten gesickert und klebte an seinen Turnschuhen der Größe 40. Die Turnschuhe hatten Abdrücke auf den Decksplanken, dem Bootssteg und dem Uferweg hinterlassen. Natürlich hatten die Techniker auch Abdrücke von anderen Schuhen gefunden – die des Besitzers, ferner die der Polizeibeamten und schließlich die von mindestens zwei unidentifizierten Personen, Turnschuhe, Größe 42 und 38. Aber nur an denen des Opfers hatte sich Blut der Gruppe AB positiv befunden. Blut einer zweiten Gruppe hatten die Techniker nicht entdeckt.
Die Blutspritzer und die Abdrücke der Turnschuhe führten vom Boot herunter, beschrieben auf dem Asphalt des Uferwegs einen Halbkreis und kehrten dann wieder auf den Bootssteg zurück.
Zwei Täter , dachte der Commissaris, die nacheinander zugestochen haben, einer auf dem Boot und dann einer an Land. Er las weiter, und während er las, sah er zwischen den Zeilen das Boot und den toten Inder; er sah die Nacht, aber die beiden Mörder sah er nicht. Stattdessen sah er den Besitzer und sagte zu Gallo: »Ich will wissen, wo der Besitzer des Hausboots, dieser – wie hieß der noch? – Geert van der Burg, in der Nacht von Freitag auf Samstag war. Erkundige dich bei den Kollegen in Noord, ob er ein Alibi hat.«
Was die Techniker der Spurensicherung noch gefunden hatten: mikroskopisch kleine Mengen verschiedener unbekannter Substanzen an den Händen und an der Kleidung des Toten, die aber erst nach einer sorgfältigeren Laboranalyse genau bestimmt werden konnten. Zu guter Letzt fanden sich noch ein Hinweis auf abgeschabte Lackpartikel an einem Maschendrahtzaun gegenüber der Liegestelle des Hausboots und weitere Plättchen desselben Lacks auf dem Asphalt neben dem Zaun. Farbe: magentarot. Die Lacksplitter könnten von einer Autokarosserie stammen, las Van Leeuwen, vielleicht von einem Wagen, der zu schnell gestartet, gefahren oder zum Stillstand gebracht worden ist, sodass er ins Schleudern kam und den Zaun streifte. Allerdings lässt sich nicht feststellen, ob dies in der Tatnacht geschehen
Weitere Kostenlose Bücher