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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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ist.
    Gallo telefonierte, und als der Commissaris den Bericht zuklappte, legte der Hoofdinspecteur auf und sagte: »Hoofdagent Jansen schickt noch mal jemanden zu Mijnheer van der Burg, aber seiner Meinung nach kommt der Besitzer als Täter nicht in Frage –«
    Van Leeuwen fragte: »Gibt es schon Zeugen, irgendjemanden, der in der Nacht von Freitag auf Samstag etwas Auffälliges vor oder auf dem Hausboot gesehen hat?«
    Gallo schüttelte den Kopf. »Keine Zeugen, jedenfalls bis jetzt nicht –«
    Der Computer gab ein überraschendes Ping von sich, und auf dem Bildschirm teilten sich zwei identisch aussehende Fingerabdrücke das Fenster. »Amir Singh, siebenundzwanzig«, las Gallo vor, »geboren in Bombay – heute Mumbei –, legal eingewandert vor vier Jahren, vor zwei Jahren vom Zoll aufgegriffen wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und Diebstahl in einem minder schweren Fall. Verurteilt zu neun Monaten Haft im Gefängnis von Scheveningen, entlassen am 15. Januar, also vor einem guten halben Jahr. Singh, wie du gesagt hast, Bruno. Was will man mehr?«
    »Die Adresse«, sagte Van Leeuwen.
    »Letzte bekannte Adresse: De Grootweg 83, geht vom Waddenweg ab, in Noord. Gar nicht so weit weg von der Stelle, wo die Kollegen vom Klimopweg ihn gefunden haben.«
    »Lebte er da allein?«
    Hinter ihnen erklang ein Klopfen, und als sie sich umdrehten, stand Brigadier Julika Tambur in der Tür. Sie sah verwirrt und zornig aus. Die Sicherheitsnadeln, Ketten und Reißverschlüsse an ihrer Lederjacke blitzten, und die rot gefärbten Spitzen ihrer streichholzkurzen Haare wirkten, als hätte sie die Strähnen in Blut getaucht. Ihr Gesicht war blass, fast weiß, aber selbst die violette und schwarze Schminke konnte seine verletzliche Schönheit nicht verbergen. Alles andere war nur Panzer: die Nieten und Noppen und eisenbeschlagenen Stiefeletten unter durchlöcherten Jeans.
    »Ist schon wieder Halloween?«, fragte Hoofdinspecteur Gallo. Julika ignorierte die Bemerkung, trat in den Raum und schlüpfte aus ihrer Lederjacke, unter der sie ihre Dienstwaffe in einemLederholster trug. »Entschuldigen Sie, Commissaris, ich dachte, ich schaffe es früher, aber mein Vater hat sich die ganze Nacht erbrochen –«
    »Erzählen Sie mir nicht, wie Sie Ihre Nacht verbracht haben«, sagte Van Leeuwen. Er deutete auf das Bild von Amir Singh auf seinem Schreibtisch. »Sehen Sie sich das Foto an.«
    Julika warf ihre Jacke über eine Stuhllehne, dann nahm sie das Foto und betrachtete es. Sie sagte nichts. Sie betrachtete das Bild, und allmählich wurde sie ruhig, und sie sah auch nicht mehr verwirrt und zornig aus. »Ich weiß, wer das getan hat«, sagte sie.
    »Ach ja, wer?«, fragte Gallo.
    »Edward mit den Scherenhänden.«
    »Ziehen Sie Ihre Jacke wieder an, Brigadier Tambur«, sagte Van Leeuwen und griff nach der Papiertüte mit den Hörnchen. »Sie begleiten mich. Vielleicht hat der Tote jemanden hinterlassen, der sich freut, dass Sie den Mord so schnell aufgeklärt haben.«

4
    Sie verließen den IJ-Tunnel und fuhren ein Stück weit auf dem mehrspurigen Nieuwe Leeuwarderweg am Noord Hollandsch Ka-naal entlang, bis sie hinter der Ausfahrt Noord an einen Schrottplatz kamen. Der Schrottplatz war einmal eine Straßenbaustelle gewesen, aber außer einer einsamen Planierraupe erinnerte nichts mehr an diese wahrscheinlich erst kurz zurückliegende Zeit. Alteisen, Betonröhren und Stahlrohre türmten sich zu rostbefallenen Halden. Hier und da blitzte ein Stück Chrom oder die weiße Verkleidung eines Kühlschranks hinter dem Maschendrahtzaun, der den Platz umgab. Die Rostflecken wirkten in der Sonne wie verschorfte Wunden. Über dem Zaun und über den Eisenhalden segelten Möwen auf unsichtbaren Luftströmen vor dem tiefblauen Nachmittagshimmel. Ihre Schreie klangen metallisch und zornig, als hätten sie jeden einzelnen mit dem Schnabel aus dem Schrott kratzen müssen.
    Der De Grootweg war eine schmale Gasse, in der das unvermeidlicheImport-Export-Geschäft neben dem ebenso unvermeidlichen Internetcafé lag, gefolgt vom obligaten Stehimbiss, dem Coffeeshop, dem kleinen Gemischtwarenladen und dem Fitnessclub. Die schlierigen Fenster der Läden waren mit Gittern und Metallrollläden gesichert, obwohl das Warenangebot dahinter kaum zum Diebstahl reizte. In den Auslagen wechselten sich schwärzliche Messingteller mit verstaubten Elektrogeräten und billigen Ledertaschen ab. Es gab Comics, Plastiksandalen, bemalte Keramikvasen, Buddhastatuen,

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