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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Sohnes und den von Mira, und als beide seinen Augen auswichen, nickte er müde, griff nach dem Kugelschreiber und unterschrieb an den Stellen, die Dekker ihm gezeigt hatte.
    Als Sharma fertig war, nahm der Zollfahnder ihm den Vertrag weg, um die Unterschrift zu prüfen. Mit einem zufriedenen Lächeln faltete er ihn zusammen und sagte: »Jetzt sind wir Partner, Radschiv – du, deine Söhne und ich. Und niemand weiß davon; niemand weiß, wer der Eigentümer der Target Real Estate Corporation wirklich ist. Aber falls irgendjemand diesen Vertrag in die Hände bekommen sollte, also, ich finde, man könnte leicht den Eindruck gewinnen, dass du dich klammheimlich aus dem Staub machen willst. Verkaufst die Mehrheit der Anteile deiner Firma an ein obskures Landerschließungsunternehmen auf den Caymans ... Das sieht ja fast wie ein Schuldeingeständnis aus, oder nicht?«
    Radschiv schüttelte nur schwach den Kopf, wie ein Mann, der den Kampf aufgab, weil er einsehen musste, dass er ihn endgültig verloren hatte. »Warum?«, fragte er. »Warum tun Sie das?«
    »Warum?«, wiederholte Dekker, nun wieder so leise, dass er kaum zu verstehen war. »Warum ich das tue? Willst du das wirklich wissen? Du bist immerhin der Erste, der mir diese Frage stellt. Also dann, hier ist die Antwort. Und die Antwort lautet: Ich liebe dieses Land. Ich liebe die Niederlande. Es gab mal eine Zeit, stell dir vor, da war es mir egal. Ich wurde hier geboren, ich wuchs auf und lebtegut, und alles war ganz selbstverständlich. Dann musste ich eines Tages weg. Ich war bei der Armee, und wir wurden auf den Balkan geschickt, und da habe ich Dinge gesehen, Dinge, die Menschen taten. Barbarische Dinge. Nein, keine Menschen – Barbaren taten sie. Denn plötzlich kannte ich den Unterschied zwischen Menschen und Barbaren, den ich früher nicht gekannt hatte, weil ich keine Barbaren kannte. In den Niederlanden gab es keine Barbaren. Gräuel, Massaker, all das gab es in den Niederlanden nicht, weil es nämlich keine Barbaren in den Niederlanden gab. Und dafür begann ich, mein Land zu lieben, dafür, dass man dort geboren werden und heranwachsen und leben konnte, ohne Angst haben zu müssen. Dafür, dass einem das gute Leben selbstverständlich werden konnte, weil Gräuel und Massaker und Massengräber niemals selbstverständlich sein können. Deswegen bin ich nach dem Dienst bei den Friedenstruppen zum Zoll gegangen, um die Grenzen dieses friedlichen, etwas langweiligen Landes vor den Barbaren zu beschützen. Doch jetzt, wo mir die Augen geöffnet worden waren, sah ich auf einmal, dass die Barbaren schon da waren. Sie waren da und machten ihre Geschäfte in unserem Land, und diese Geschäfte waren schmutzig. Sie kamen aus Afrika, aus der Karibik, aus Indien. Sie kamen hierher und wurden reich, während ich und viele andere, die hier geboren und aufgewachsen wurden, arm blieben. Sie errichteten ihre kleinen Staaten in unserem Staat, Barbarenstaaten, in denen sie fremde Sprachen sprachen und zu fremden Göttern beteten, aber von unserem Geld lebten, von unserer Toleranz und mit unseren Frauen. Und nun zu deiner Frage: Ich will, dass sie wieder gehen. Ich will, dass ihr alle wieder geht. Ihr sollt gehen und alles mitnehmen, was ihr hierher gebracht habt, alles, was ihr auch auf den Balkan gebracht habt, eure Grausamkeit, eure Intoleranz, eure fremden Götter. Ich will euch dabei helfen. Aber vorher nehme ich euch das weg, was ihr den Menschen hier gestohlen habt, den Kindern, den Frauen und allen, die nicht wissen, warum und wie sie ihr Land lieben sollen. Denn ich weiß es, und ich will, dass es wieder so wird, wie es einmal war.«

34
    Julika Tambur stand am Straßenrand neben ihrem Wagen und hielt sich an der offenen Fahrertür fest, während sie sich auf den warmen Asphalt erbrach. Sie zitterte am ganzen Leib. Immer wieder krampfte ihr Magen sich zusammen. Sie keuchte und schnappte nach Luft, und als sie schon hoffte, es wäre vorbei, schoss eine neue Welle der Übelkeit in ihr hoch. Endlich richtete sie sich wieder auf. Sie wischte sich den Mund ab und blinzelte das Wasser aus den Augen.
    Einen Moment lang erschien ihr alles neu und unvertraut: die verlassene Straße, beleuchtet von einer trüben Laterne und von den Scheinwerfern des Einsatzwagens. Die dunklen Gewerbeflächen zu beiden Seiten der Straße. Ein milchiger Lichtschein hinter den Wolken, wo der Mond sich verbarg. Und hinter ihr, weit entfernt, die matten Lichter der Stadt, die in der diesigen Luft

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