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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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einer kalten, flimmernden Kraft, die ihm aus der Brust in die Arme strömte, ging er zu den Regalen und begann einen Gewürzbehälter nach dem anderen aus den Fächern zu reißen. » Das werde ich tun« , schrie er, » und das! Und das! Und das!« , und dabei trat er Säcke um, warf Gläser zu Boden, brach Kästen und Kartons auf. Wie ein Derwisch taumelte er an den Regalen entlang, während der nur schwach erhellte Raum sich mit dem Duft von Zimt, Koriander und Anis füllte und Wolken von farbigen Pulvern und winzigen Körnern in die Luft über seinem Kopf stiegen. » Und das, und das, und das!«
    Dann blieb er stehen, eingehüllt in den bunten Staub zerstoßener Gewürze. Schwer atmend stand er da und starrte Hoofdinspecteur Dekker an, der ihm staunend in die Halle gefolgt war und nun ebenfalls stehen blieb und den träge zu Boden rieselnden Staubvorhang betrachtete, die Schichten von Körnern, Blättchen, Borken, Sämlingen und verspritzten Saucen zu Radschivs Füßen. Er sagte etwas, aber Radschiv konnte ihn nicht hören. Das Blut raste in seinen Adern. Sein Herz hämmerte wild bis in die Ohren hinauf. Nur allmählich wurde er wieder ruhiger, und die Stärke wich aus seinen Armen, die sich nun schwächer und kraftloser anfühlten als zuvor.
    »Das war sehr eindrucksvoll.« Die Stimme des Hoofdinspecteurs schien heranzuwogen und wieder abzuschwellen wie eine Welle, die kam und ging. »Und ich weiß, dass du keine Angst davor hast, ins Gefängnis zu wandern. Aber was ist mit deiner Familie? Deinen Söhnen? Es sind Shaks Fingerabdrücke auf dem Griff des Messers. Weil Carien Dijkstras Mörder nämlich Handschuhe getragen hat, um diese Abdrücke nicht unbrauchbar zu machen ... Hängst du denn wirklich so sehr an all dem hier, Radschiv, so sehr, dass dudeinen erstgeborenen Sohn lebenslang hinter Gittern sehen willst, nur um nicht mit mir teilen zu müssen? Du kannst nicht alles verschütten, ausgießen oder umkippen – am Ende kriege ich doch, was ich will!«
    »Ich unterschreibe nicht«, sagte Radschiv leise, aber entschlossen.
    »Vielleicht bedeutet Shak dir nicht genug«, sagte Dekker mit einem nachdenklichen Blick auf das zusammengefaltete Blatt in seiner Hand, »vielleicht macht es dir gar nichts aus, wenn er ins Gefängnis muss. Aber wie sieht es denn mit dem hier aus?« Er drehte sich um, ging schnell zu Pamit und packte den Jungen am Ge-nick, so wie er vor einigen Tagen Radschiv am Genick gepackt hatte. »Wie sieht es denn aus, wenn wir statt über Shak über den kleinen Pamit sprechen? Wenn seine Abdrücke auf dem Messergriff gefunden werden? Wenn er dir weggenommen wird vom Jugendstrafvollzug?«
    Pamit kreischte auf, hoch und schrill. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Er trat Dekker gegen das Schienbein und versuchte, nach ihm zu schlagen, ihn mit Krallenfingern zu kratzen. Dekker lachte und drückte zu, bis Pamit schlaff wurde unter seinem schmerzenden Griff und sich nicht mehr wehrte. Die Augen des Jungen waren zu Schlitzen verengt, der Mund stand halb offen, Speichel tropfte heraus. Der Kopf war zur Seite gesunken und berührte fast die linke Schulter.
    Radschiv spürte, wie sein Herz sich zusammenzog, als hätte jemand Essigsäure darauf geträufelt. Heiße Tränen schossen ihm in die Augen. »Nicht – lassen Sie den Jungen, los!«
    »Komm, Jochie«, sagte der Zollfahnder und führte Pamit langsam neben sich her aus der Halle, über den Hof und zu dem roten Mercedes, in dessen Kofferraum das Plastiktütchen mit der Tatwaffe lag.
    »Nein, nicht!«, rief Radschiv noch einmal. »Lassen Sie ihn los, ich unterschreibe. Ich unterschreibe ja!« Hilflos breitete er die Hände aus, die leicht zitterten. Kaum hörbar wiederholte er: »Ich unterschreibe, was Sie wollen.«
    Dekker blieb stehen. Er nickte bedächtig und ließ Pamit so unvermittelt los, dass der Junge zu Boden stürzte wie eine Marionette, der man die Fäden durchtrennt hatte. Dann kehrte er um und ging zurück zur Halle. Im Gehen entfaltete er das Blatt in seiner Hand mit einem heftigen Schlag. Aus der Innenseite seiner Armeejacke holte er einen Kugelschreiber. »Es tut immer wieder gut, die Stimme der Vernunft zu hören, mag sie auch noch so leise rufen.«
    In der Halle breitete er den auseinandergefalteten Vertrag auf den Schreibtisch, legte einen Kugelschreiber daneben und winkte Sharma an den Tisch. Er deutete auf eine gepunktete Linie. »Hier und hier und dann da noch mal.«
    Radschiv sah ihn nicht an. Er suchte den Blick seines

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