Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Und wir scheitern immer schoener

Titel: Und wir scheitern immer schoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
Vom Netzwerk:
Ich muss hier raus, in diese unvergiftete und mental beruhigende Naturschutzgegend.
     
    Auf dem Weg ins Grüne schlendert am Straßenrand beidseitig Sportlergesindel herum und vergnügt sich mit Nordic Walking. Schlimmer Auswuchs unserer Gesellschaft. Sogar ein Tumor im Sportbereich finde ich.
     
    Ich habe nur Zigaretten dabei. Auf der Fahrt raus rauche ich sieben. Raus aus der ‹asozialisierten› Gegend. Ich fahre nicht sehr schnell, denke dafür aber rasant. Denke Sachen wie Freundschaft, Antikapitalismus, Weizenbier und Analsex. Gesprächsthemen von Julia und mir. Jetzt ist sie Vergangenheit und doch so relevant wie nie zuvor. Erst wenn jemand geht, bemerkt man gemeinhin seine Wichtigkeit. Sehnsucht ist uneffektiv.
     
    Fahre außerdem an der Stelle vorbei, wo es geschah. Da hat Julias Mutter ein Kreuz aufgestellt, umsäumt von Kerzen. Um der schönen Erinnerung willen. Ein Blick von mir und dunkelrot leuchten Kerzen. Flackernd in der Dämmerung.
     
    Ich parke am Waldesrand. Steige aus und lasse mein kleines, rotes Feuerzeug aufflackern. Inhaliere und beobachte dann den aus meinem Mund ziehenden Qualm, der gleichzeitig nach Freiheit und Sucht schmeckt.
     
    Blicke auf die vor mir liegende Baumfront, die außer mir niemanden zu interessieren scheint. Die Natur macht ihre ganz eigenen Geräusche. Weit weg vom Lärm der Betonlandschaft, hinein in die Natürlichkeit der Eigentlichkeit. Jedes Mal, wenn ich hier bin, denke ich: So ist der Mensch eigentlich gemeint. Ich begrüße die Bäume wie alte Bekannte und freue mich über ihr mystisches Rascheln als Antwort.
      
    Ich genieße die Luft. Solche Luft gibt es nur in Wäldern. Die Luft hat so richtig Volumen. Füllt die Lungen von selbst. Ohne Einatmen fickt mich der mich umgebende hochkonzentrierte Sauerstoff. Die Umgebung ist dunkelgrün. Es ist nicht kalt ... weil es schön ist.
     
    Es bleibt auch nach mindestens tausend Schritten Richtung Innenwald schön. Ich mache Knistersounds mit meinen Füßen auf umherliegendem Geäst. Kleine Knochenbrüche, denke ich. Julia fliegt durch meinen Kopf. Mit ihr war ich nie hier. Immer nur allein. Es hätte ihr auch nicht gefallen, glaube ich. Sie war eher interessiert an städtischem Leben ohne Erholung und Naturreflexion. Schade für sie.
     
    Die Dunkelheit senkt sich still in den Wald. Bohrt sich durch bis zum moosigen Boden. Von oben schreit ein Vogel den nahenden Abend an. Eine Hand an meinem Arsch, die nicht meine ist. Ich erschrecke wie unter Starkstrom. Da fasst mich ein Fremder an. Reibung. Mein Herz läuft Amok.
     
    Heiserer Atem in meinem Nacken und eine feuchte Zunge hinter meinem linken Ohr. Gleichzeitig fährt eine Hand unter meine Jacke und sucht nach meinen Brüsten. Scheiße. In meiner Poritze spüre ich einen erregten Penis. Der drängelt im Analbereich von Backe zu Backe. Da findet eine Menge ungewollter, ungewohnter Reibung statt.
     
    Worte fallen wie «Komm, du kleine Sau!» und «Jetzt aber ...» In seiner Stimme bemerke ich eine heisere Geilheit, die mich vollends in Panik versetzt. Außerdem rieche ich seinen muffigen Adrenalinschweiß, der ‹unwaldgemäß› in meine Nase strömt. Angst flackert auf. Instinktiv lasse ich mein rechtes Bein nach hinten schnellen und treffe ihn am Schienbein. Er schreit kurz auf und sein Griff wird etwas lockerer. Am Oberkörper des nicht zu erkennenden Triebtäterfreaks stoße ich mich ab und falle unsanft auf den Waldboden. Er fällt auch, aber ich stehe schneller wieder auf. Renne. Wohin, ist egal. Nur rennen. Nicht auch noch das. In meinem Kopf ist Katastrophenalarm. Konzentrationsamok.
     
    Auf der Flucht entwickle ich sportliche Höchstleistungen. Er ist hinter mir. Ich kann ihn riechen. Das Schwein kommt. Seine schnellen Schritte machen das Holz knacken. Mir folgt sein Atem und sein Geruch und das fiese Böse in ihm.
     
    Der Weg ist nicht mehr sichtbar, weil es bereits stockdunkel ist, aber ich weiß ungefähr, wo ich bin und dass ich gleich nach links muss und dann da nach zweihundert Metern mein Wagen steht. Ich höre seine federnden Schritte und knackendes Kleinholz. Hinter dieser Biegung steht mein Auto. Ich habe noch Kraft, meinen Gang zu beschleunigen. Mit der Angst als Triebfeder. Ich biege ab – und da steht es.
     
    Keuchende Stimme im Rücken. Und immer noch schnelle Schrittfrequenz. Der Typ ist vielleicht fünfzig Meter hinter mir. Ich weiß genau, dass der Schlüssel noch steckt. Tür auf. Hingesetzt. Tür zu. Etwas schreit. Könnte ein Tier

Weitere Kostenlose Bücher