Und wir scheitern immer schoener
Teufel, er weiß nicht, was es heißt
an der Stelle zum Tod, das Gefühl niemals gelebt
mit einer Kugel im Kopf
...
Slime – Die Leere
Mit diesem Song fahre ich bedenklich langsam zu meiner Mietwohnung. Vielleicht haben wir irgendwann mal den Mut, über alles zu reden, uns wie gewöhnliche Familienmitglieder in die Arme zu schließen, um unsere Persönlichkeiten zu teilen. Denn wenn man dies tun kann, ist manches doch weniger schlimm.
Ich würde ihnen so gerne meine Sentimentalitäten und Zerbrechlichkeiten erzählen. Das Fragile in meinem Leben zu Wort bringen, meinen Eltern gegenüber. Doch alles ist zu und jeder Weg blockiert. Gelegenheiten, unser Zaudern zu überspringen, wird es noch viele geben, doch ich weiß, alle bleiben ungenutzt.
Wir müssen alles ertragen, und ich kann nicht leugnen, dass ich ein Feiertagsunschönfinder geworden bin über die Jahre. Auch der Familie wegen.
Die letzten dreißig Sekunden
Es ist dunkelgraues Wetter. Bedrohlich wabert Nebel über der Straßenoberfläche. Aber die Nacht ist leise und einzigartig in ihrer Erscheinungsweise.
Ich fahre relativ schnell auf einer Landstraße. Mein Auto gibt mir Recht. An beiden Seiten erheben sich alte Bäume. Dahinter wird ansonsten Landwirtschaft betrieben.
Kokain kitzelt mir noch die Nase wund. Komme von einer Party, auf der ich mit einer Frau schlief, die nicht meine war. Da war es laut. Komme gerade ein wenig runter, bin aber noch leicht angeturnt. Das monotone Betriebsgeräusch des Autos beruhigt. Die gleichbleibende Kontinuität der Fortbewegung ebenfalls. Coming down from being high. Um dann auf dem Boden der Tatsachen diese zu ignorieren.
Meine 132 PS bringen mich heim. Ich bin im Gedankentaumel, doch der Wagen kennt den Weg. Ich überhole einen LKW, von vorn kommt ein Auto. Ein Golf IV, inklusive ‹Tuninggepimpe›. Ich habe keine Angst, warum auch. Mein Kokainlächeln. Es wird böse enden, denke ich so bei mir, zumindest wird mir eine maximal schwere Verletzung, die meinen Körper verteilen wird, zuteil. Na und?
Ich erkenne noch die Fahrerin, eine kindlich wirkende blonde Frau mit übergroßen grünen Augen. Weit aufgerissenes Antlitz. Ein Zusammenstoß ist unvermeidbar. Sie ‹lichthupt› und es glitzert in meinem Kopf. Zwischen uns nur Nebelsuppe. Grau und einfältig.
Ein Film. Nur in meinem Kopf. Mein Leben in dreißig Sekunden. Blutverschleimte Geburt. Die Hände des Vaters und der Mutter, die mich tragen. Glückliche Kinderjahre. Und lachende Eltern. Ein großer Bruder ohne Willen. Autos. Frauen. Party. Drogentoleranz. Freiheit. Leben zu Genüge. Ein letzter Abend, dieser vorhin. Es war gut. Überredungskunst und Kokain. Wildes Ficken. Vaginales Zucken. Und dann diese Fahrt. Ich fahre mich heim. Der Film endet hier.
In mir verreist alles, Erinnerungen und Gefühle mit Koffern in der Hand und Sonnenbrillen auf den lächelnden Gesichtern ...
Der Vorhang schließt sich und ich breche mit dem Schädel durch die Windschutzscheibe meines Wagens. Metallscherbenfleischwunden. Dann durch ihre Windschutzscheibe. Die Scherben, die ich verursache, trennen sanft das Muskelfleisch meiner Bauchdecke. Außerdem trennen sie mir einen Arm ab. Sauberer Schnitt am Schultergelenk links. Ich dringe fliegend liegend in den Wagen der Blondine ein. Begegnung mit der Trümmerfrau.
Da sind Geräusche beim Fliegen und Eindringen durch die Scheibe. Zwischen Splittern und Weltkrieg tobt ein egozentrischer Amok vorbei. Unvergleichbar, weil nie zuvor wahrgenommen, zirkulieren diese abstrakten Sounds an meinem kaputten Kopf vorbei. Dann schreit die Frau laut und todesnah und übertönt alles.
Ihr Gesicht ist überströmt von allerlei Körperflüssigkeit. Da sind jetzt Schreie aus ihrem unübersichtlichen Kopf und Metallstreben in ihren Organen. Ihr Schädel ist oben offen und die meisten ihrer blonden, gepflegten Haare liegen auf der Rückbank ihres Golfs. Gehirn bahnt sich fließend den Weg aus ihrem Innenschädel Richtung Handschuhfach. Das läuft voller Gedanken und unerfüllter Pläne und Missionen. Verteilt sich träge sickernd im Innenraum. Gehirn klatscht stumpf auf die Fußmatten. Das ihre wie das meine.
Die Blondine hört auf zu schreien und zu atmen. Blutet und sickert aber weiter. Sie ist wunderschön, auch ohne ihr junges Gesicht. Blutende Hautfetzen
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