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Und wir scheitern immer schöner

Titel: Und wir scheitern immer schöner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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nur noch Matsche in ihren Köpfen rotiert. Meine Stammkunden wissen das zu schätzen und ich werde immer besser.
     
    Echte Berührungen und Liebe habe ich mir abgewöhnt. Ich bin nur noch verbal sexuell aktiv. Nur noch Kopfsex. Mehr geht emotional nicht mehr. Manchmal fickt auch eine Figur von Hera Lind in den Büchern, die ich lese. Da stelle ich mir vor, dass ich das bin. Ist aber schwer, eigentlich unmöglich. Mein Leben ist viel zu kaputt, um ein ‹Superweib› zu sein.
     
    Ein mechanisches Surren zerreißt die Gedankenmuster und gleichzeitig die Stille. Das Telefon klingelt und im selben Moment schreit mein Sohn. Ich gehe auf die Wünsche des kleinen, dummen Behinderten ein, danach kümmere ich mich um meinen Sohn.
     
    So gleitet die Existenz aus meinen Händen und mein Leben schreit nach moralischen Grundsätzen. Doch alles ist so weit weg. So weit, die Träume, so weit weg, die Liebe, so dumm, das Leben.
     
     
     
     
     
     
     
     
    Valentins Tat
     
     
    Und wieder suchen mich Gedanken voller Schuld heim. Ich misstraue mir selbst und ich glaube, dass diese Tatsache das Schlimmste ist, was einem Menschen widerfahren kann. Unablegbares Schuldig-Sein. Wenn Gedachtes einem die Seele voll kotzt, bis diese zu zerplatzen droht, des Voll-gekotzt-Seins wegen.
     
    Ich habe es mit Verdrängung und Drogen probiert, aber die Gedanken haben sich in mir manifestiert und ziehen nun ihre verwundenden Runden. Lassen mich in die Rückhaltlosigkeit des Wahnsinns laufen und träufeln bedächtig Verderben in meinen Kopf. Mein Leben ist nun mal mein Leben. Kann da nicht raus. Es sei denn ...
     
    Suizidgedanken in der Küche. Sitze auf einem Stuhl und höre bewusst Musik. Ich habe mir Kaffee gemacht. Trinke langsam und die Musik ist sehr laut. Der alte, tote Johnny Cash singt für mich. Das Leiden in seiner Stimme ist ein tiefes, lebenserfahrenes und väterlich mitfühlendes. Darin finde ich mich wieder. Der Kaffee ist heiß und schmerzt leicht im Hals beim Schlucken. Auf dem Tisch liegt eine Schusswaffe. Ich werde sie benutzen. Gegen mich.
     
    Sie ist sehr klein vom Kaliber her. Doch der vertrauenswürdige Albaner, der sie mir verkaufte, versicherte mir, sie könne große Löcher in Menschenschädel reißen, die zum Sterben auch ausreichend wären. Das will ich. Tot sein. Dem Leben, den Gedanken, die einen denken, entkommen.
     
    I'm just going over Jordan,
    I'm just going over home …
     
    Johnny Cash
     
    Alles begann mit diesem Abend im Punkrockclub in einem nördlicheren Stadtteil. Der Laden heißt ‹Durchbruch›. Klingt erst mal sehr revolutionär, doch wenn man mal mehrmals vor Ort war, ist auch diese Magie dahin. Die Location befindet sich in einem ranzigen Industriegebiet. Programmmäßig bekommt man 'ne Menge aus den Bereichen Hardcore, Punk, Oi!, Ska und so 'n bisschen Metal-Musik. Für einen Wochenendeinstieg genau das Richtige.
      
    Da saß ich also im ‹Durchbruch› und hatte schon einiges intus. Das Bier lief an diesem Abend wirklich gut, und frisch gezapft ins saubere Glas macht dieser uralte Männerdrink doch am meisten Spaß. Ich sinnierte ein wenig über ein Gespräch, das ich am Vortag mit einem Arbeitskollegen hatte. Ich vertrat wieder meine Meinung, dass Bier in Plastikflaschen, das aufgrund von pseudoökologischen Gründen das gute alte Dosenbier fast ganz verdrängt hat, ungenießbar sei des Plastiks wegen. Weil da immer noch zu viele Chemiepartikel im Bierchen rumwabern, die den Geschmack trüben. Mein Arbeitskollege Karl war aber der Ansicht, dass es sich beim Bier verhalte wie beim Menschen, es gehe schließlich um die inneren Werte. Egal, ob Flasche aus Glas oder Plastik, ob gezapft im Pappbecher oder mit alter Metallummantelung, schließlich gehe es ums Bier. Ich fand diese Argumentationskette äußerst schlüssig und vor allem sehr menschlich. Karl ist Bagger fahrender Philosoph, ohne davon zu wissen. Trotzdem ist Dosenpfand verbraucherunfreundlich.
     
    So denke ich also, während plötzlich ‹sick of it all› gespielt werden. Geiler Hardcore. Es wird Vollkontakt getanzt. Guter Pogo. Ich bin dabei. Hingabe. «In the underground, intrigity lies within / in the underground / image doesn't mean a thing ...» Menschen brechen an Menschen. Man liegt betrunkenen anderen Menschen in den Armen und fremde Körper taumeln durch die Gegend. Überall geballte Fäuste, gen Himmel gereckt. Mittendrin diese kleine Frau, die ich hier noch nie gesehen habe. Ein Skinhead-Girl. Sie trägt kurze blonde

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