Ungeduld des Herzens.
Schweigen. Alle spüren ja alles von allen in diesem Haus; zweifellos muß der alte Mann gefühlt haben, daß eben eine gefährliche Spannung zwischen uns beiden schwingt; so steht er mit gesenkten Augen beunruhigt herum. Am liebsten, ich merke es, flüchtete er gleich wieder zurück. Edith versucht zu helfen.
»Denk dir, Papa, der Herr Leutnant hat heute zum erstenmal die Terrasse gesehen.«
Und »Ja, wunderschön ist es hier«, sage ich, sofort peinlich bewußt werdend, daß ich etwas beschämend Banales ausspreche, und stocke schon wieder. Um die Befangenheit zu lösen, beugt sich Kekesfalva über den Fauteuil.
»Ich fürchte, es wird hier bald zu kühl für dich. Wollen wir nicht lieber hinunter?«
»Ja«, antwortet Edith. Wir sind alle froh, dadurch ein paar ablenkende nichtige Beschäftigungen zu finden; die Bücher zusammenzupacken, ihr den Shawl umzulegen, mit der Glocke zu schellen, deren eine hier wie auf jedem Tisch dieses Hauses bereitliegt. Nach zwei Minuten surrt der Fahrtstuhl hoch und Josef rollt den Fauteuil mit der Gelähmten behutsam hin bis zum Schacht.
»Wir kommen gleich hinunter«, winkt ihr Kekesfalva zärtlich nach, »vielleicht machst du dich zum Abendessen zurecht. Ich kann unterdes mit dem Herrn Leutnant noch ein bißchen im Garten Spazierengehen.«
Der Diener schließt die Tür des Lifts; wie in eine Gruft sinkt der Rollstuhl mit der Gelähmten in die Tiefe. Unwillkürlich haben der alte Mann und ich uns abgewendet. Wir schweigen beide, aber mit einem Mal spüre ich, daß er sich mir ganz zaghaft nähert.
»Wenn es Ihnen recht ist, Herr Leutnant, möchte ich gerne etwas mit Ihnen besprechen ... das heißt, Sie um etwas bitten ... Vielleicht gehen wir hinüber in mein Büro drüben im Verwaltungsgebäude ... ich meine natürlich nur, falls es Ihnen nicht lästig ist ... Sonst ... sonst können wir natürlich auch im Park spazierengehen.«
»Aber es ist mir doch nur eine Ehre, Herr von Kekesfalva«, antworte ich. In diesem Augenblick surrt der Lift zurück, um uns abzuholen. Wir fahren hinab, schreiten quer über den Hof zum Verwaltungsgebäude; mir fällt auf, wie vorsichtig, wie sehr an die Wand gedrückt Kekesfalva am Haus entlangschleicht, wie schmal er sich macht, als fürchte er, ertappt zu werden. Unwillkürlich – ich kann ja nicht anders – gehe ich mit ebenso leisen, vorsichtigen Schritten hinter ihm her.
Am Ende des niederen und nicht sehr sauber gekalkten Verwaltungsgebäudes öffnet er eine Tür; sie führt in seinKontor, das sich als nicht viel besser eingerichtet erweist als mein eigenes Kasernenzimmer: ein billiger Schreibtisch, morsch und verbraucht, alte verfleckte Strohsessel, an der Wand ein paar alte, offenbar seit Jahren unbenutzte Tabellen über der zerschlissenen Tapete. Auch der muffige Geruch erinnert mich mißlich an unsere eigenen ärarischen Büros. Schon mit dem ersten Blick – wieviel habe ich verstehen gelernt in diesen wenigen Tagen! erkenne ich, daß dieser alte Mann allen Luxus, alle Bequemlichkeit einzig auf sein Kind häuft und für sich selber spart wie ein knickriger Bauer; zum erstenmal habe ich auch, da er mir vorausging, bemerkt, wie abgestoßen sein schwarzer Rock an den Ellbogen glänzt; wahrscheinlich trägt er ihn schon seit zehn oder fünfzehn Jahren.
Kekesfalva schiebt mir den breiten, schwarzledernen Bocksessel des Kontors hin, den einzig bequemen. »Setzen Sie sich, Herr Leutnant, bitte setzen Sie sich«, sagt er mit einem gewissen zärtlich eindringlichen Ton, während er sich selbst, ehe ich zugreifen kann, bloß einen der fragwürdigen Strohsessel heranholt. Nun sitzen wir hart aneinander, er könnte, er sollte jetzt beginnen, und ich warte darauf mit einer begreiflichen Ungeduld, denn was kann er, der reiche Mann, der Millionär, mich armseligen Leutnant zu bitten haben. Aber hartnäckig hält er den Kopf gesenkt, als betrachtete er angelegentlich seine Schuhe. Nur den Atem höre ich aus der vorgeneigten Brust. Er geht gepreßt und schwer.
Endlich hebt Kekesfalva die Stirn, sie ist feucht überperlt, nimmt die angehauchte Brille ab, und ohne diesen blitzenden Schutz wirkt sein Gesicht sofort anders, gleichsam nackter, ärmer und tragischer; wie oft bei Kurzsichtigen erscheinen seine Augen viel stumpfer und müder als unter dem verstärkenden Glas. Auch meine ich an den leicht entzündeten Lidrändern zu erkennen, dieser alte Mann schläft wenig und schlecht. Wieder spüre ichjenes warme Quellen innen – das Mitleid, ich
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