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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Bekannter, und nicht einmal jemand von den Honoratioren des Städtchens – ausschließlich fremde, stockfremde Menschen. Hauptsächlich scheinen es Gutsbesitzer aus der Umgebung zu sein mit ihrenFrauen und Töchtern oder Staatsbeamte. Aber nur Zivil, Zivil, keine andere Uniform als die meine! Mein Gott, wie soll ich ungeschickter, scheuer Mensch mit diesen unbekannten Leuten Konversation machen? Glücklicherweise hatte man mich gut placiert. Neben mir sitzt das braune, übermütige Wesen, die hübsche Nichte, die damals meinen bewundernden Aufblick in der Konditorei doch bemerkt zu haben scheint, denn sie lächelt mir freundlich wie einem alten Bekannten zu. Sie hat Augen wie Kaffeebohnen, und wirklich, es knistert, wenn sie lacht, wie Bohnen beim Rösten. Sie hat entzückende, kleine, durchleuchtende Ohren unter dem dichten schwarzen Haar: wie rosa Zyklamen mitten im Moos, denke ich. Sie hat nackte Arme, weich und glatt; wie geschälte Pfirsiche müssen sie sich anfühlen.
    Es tut wohl, neben einem so hübschen Mädchen zu sitzen, und daß sie mit einem vokalischen ungarischen Akzent spricht, macht mich beinahe verliebt. Es tut wohl, in einem so funkelnd hellen Raum an einem so vornehm gedeckten Tisch zu tafeln, hinter sich livrierte Diener, vor sich die schönsten Speisen. Auch meine Nachbarin zur Linken, die wieder mit leicht polnischem Tonfall redet, scheint mir, wenn auch schon etwas massiv, eigentlich appetissant. Oder macht das nur der Wein, der goldhelle, dann wieder blutdunkle und jetzt champagnerperlende Wein, den von rückwärts her die Diener mit ihren weißen Handschuhen aus silbernen Karaffen und breitbäuchigen Flaschen geradezu verschwenderisch einschenken? Wahrhaftig, der wackere Apotheker hat nicht geflunkert. Bei Kekesfalvas geht es zu wie bei Hof. Ich habe noch nie so gut gegessen, nie mir überhaupt träumen lassen, daß man so gut, so nobel, so üppig essen kann. Immer köstlichere und kostbarere Gerichte schweben auf unerschöpflichen Schüsseln heran; blaßblaue Fische, von Lattich gekrönt, mit Hummerscheiben umrahmt, schwimmen in goldenenSaucen, Kapaune reiten auf breiten Sätteln von geschichtetem Reis, Puddinge flammen in blaubrennendem Rum, Eisbomben quellen farbig und süß auseinander, Früchte, die um die halbe Welt gereist sein müssen, küssen einander in silbernen Körben. Es nimmt kein Ende, kein Ende und zum Schluß noch ein wahrer Regenbogen von Schnäpsen, grün, rot, weiß, gelb, und spargeldicke Zigarren zu einem köstlichen Kaffee!
    Ein herrliches, ein zauberisches Haus – gesegnet sei er, der gute Apotheker! – ein heller, ein glücklicher, ein klingender Abend! Ich weiß nicht, fühle ich mich nur deshalb so aufgelockert und frei, weil rechts und links und gegenüber nun auch die andern glitzernde Augen und laute Stimmen bekommen haben, weil sie gleichfalls alles Nobeltun vergessen, munter drauflos und durcheinander reden – jedenfalls, meine sonstige Befangenheit ist weg. Ich plaudere ohne die geringste Hemmung, ich hofiere beiden Nachbarinnen zugleich, ich trinke, lache, blicke übermütig und leicht, und wenn es nicht immer Zufall ist, daß ich ab und zu mit der Hand an die schönen, nackten Arme Ilonas (so heißt die knusprige Nichte) streife, so scheint sie dies leise Angleiten und Ausgleiten keineswegs krummzunehmen, auch sie entspannt, beschwingt, gelockert wie wir alle von diesem üppigen Fest.
    Allmählich fühle ich – ob das nicht doch der ungewohnt herrliche Wein macht, Tokaier und Champagner quer durcheinander? – eine Leichtigkeit über mich kommen, die an Übermut und fast an Unbändigkeit grenzt. Nur etwas fehlt mir noch zum vollen Glücklichsein, zum Schweben, zum Hingerissensein, und was dies war, nach dem ich unbewußt verlangte, wird mir schon im nächsten Augenblick herrlich klar, als plötzlich von einem dritten Raume her, hinter dem Salon – der Diener hatte unmerklich die Schiebetüren wieder aufgetan – gedämpfte Musik einsetzt, ein Quartett, und gerade die Musik, die ich mirinnerlich wünschte, Tanzmusik, rhythmisch und weich zugleich, ein Walzer, von zwei Violinen getragen, von einem dunklen Cello schwermütig getönt; dazwischen taktiert eindringlich mit scharfem Staccato ein Klavier. Ja, Musik, Musik, nur sie hat noch gefehlt! Musik jetzt und vielleicht dazu tanzen, einen Walzer, sich schwingen, sich fliegen lassen, um die innere Leichtigkeit seliger zu empfinden! Und wirklich, diese Villa Kekesfalva muß ein Zauberhaus sein, man

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