Unser Autopilot - wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können
Verhaltensweisen dann greift, wenn es uns gelingt, den süßen Verlockungen der Bäckereien, den deftigen Düften der Fleischereien und den Süßwaren an der Supermarktkasse nicht sofort nachzugeben. Selbstkontrolle bedeutet auch, dass wir die ungesunden Dickmacher nur in Maßen kaufen und zu uns nehmen, selbst wenn sie uns gut schmecken und wir sie uns leisten können. Wir beherrschen uns, weil andere hehre Ziel wichtiger sind: unsere Gesundheit, unsere Figur, unser Selbstbewusstsein, das unter anderem dann sinkt, wenn wir uns selbst nicht mögen. Selbstkontrolle, also die Fähigkeit, sich gegen eine Verführung oder gegen ein unmittelbares Ziel zu entscheiden, ermöglicht es uns beispielsweise auch weiterzulernen, wenn es uns schwer fällt oder wir keine Lust mehr haben. Wir reißen uns zusammen, arbeiten, büffeln, strengen uns an, um zu einem späteren Zeitpunkt die Ernte einzufahren.
Selbstkontrolle ist ein Spezialgebiet innerhalb der modernen Motivationspsychologie und beschäftigt sich damit, wie wir eigentlich so unerhört routiniert unseren Alltag meistern und unsere Ziele erreichen – und warum wir manchmal so kläglich daran scheitern. Sie ist nicht nur deshalb ein so faszinierendes Phänomen, sondern auch weil es sich dabei um eine typisch menschliche Fähigkeit handelt. Alle anderen Lebewesen kennen keine Selbstkontrolle, noch haben sie »hehre« Ziele. Während wir Menschen uns nach letzteren ausrichten können, folgen Tiere allein ihren Impulsen, Trieben und Gefühlen; genau deshalb sind wir ihnen überlegen. Aber auch wir müssen Selbstkontrolle erst lernen. Sie ist – wie wir gesehen haben – bei Kindern bis zum Alter von vier, fünf Jahren noch nicht sehr gut entwickelt. Und selbst dann, wenn wir uns als Erwachsene im Prinzip selbst kontrollieren können, beherrschen die einen diese Kunst besser als die anderen. Und manchmal, das kennen wir sicherlich alle, bricht das System der Selbstkontrolle auch ganz zusammen. Dann reißen wir uns nicht länger am Riemen, sondern geben den Versuchungen des Alltags einfach nach: schauen lieber fern, als uns noch einmal in unsere Lehrbücher zu vertiefen, nehmen lieber ein Bad, als den kranken Onkel anzurufen, und schlingen die fettige Pizza herunter, obwohl sie uns letztendlich nicht gut tut.
Das Prinzip der Selbstkontrolle greift dann, wenn wir uns ein Ziel setzen und dieses mit einem anderen im Konflikt steht. Daher ist es sinnvoll, sich zunächst einmal mit grundlegenden Fragen auseinanderzusetzen: Was motiviert uns eigentlich, bestimmte Ziele zu verfolgen? Welche Ziele bleiben Tagträume, und welche gehen wir tatsächlich an? Wie schätzen wir ab, welche Ziele realistisch sind? Was oder wer entscheidet eigentlich, welche Ziele uns wichtig sind und welche nicht? Was tun wir, wenn sich beim Verfolgen unserer Ziele Hindernisse auftun? Warum resignieren wir manchmal? Und machen trotzdem weiter? Wann lassen wir uns verführen, und wann opfern wir das unmittelbare Vergnügen einem hehren Ziel? All diese Fragen sind Teil einer umfangreichen Forschung, von der ich Ihnen hier berichten möchte. Diese Forschung, die momentan vor allem von der Sozialpsychologie ausgeht, befasst sich neben dem speziellen Fall der Selbstkontrolle ganz allgemein mit menschlicher Selbstregulation und ist bisher nur einem Fachpublikum bekannt.
Unter dem Fachbegriff Selbstregulation fassen Sozialpsychologen mittlerweile all das zusammen, was mit dem Setzen von Zielen, der Zielverfolgung, dem Überwinden von Hindernissen, dem Erreichen eines Zieles und seiner anschließenden Bewertung als Erfolg oder Misserfolg zu tun hat. Neben den klassischen Themen der Motivationspsychologie beschäftigt sich Selbstregulation außerdem mit der Selbstmotivation, dem Verarbeiten von negativen Erlebnissen und wie man sich nicht vom eigentlichen Ziel ablenken lässt.
Die Selbstregulationsforschung ist so alt wie die Psychologie, aber erst in den letzten zehn Jahren erfuhr sie einen wahren Boom. Das lag zum einen an einer Explosion neuer und bahnbrechender Theorien und Befunde. Zum anderen daran, dass das Unbewusste Einzug in dieses Fachgebiet hielt – auch dies eine kleine Revolution. Bis dato war der Begriff der Selbstregulation für bewusste psychologische Prozesse reserviert gewesen und beschrieb vor allem Handlungen, die aufgrund eines anstrengenden Willensakts zustande gekommen waren. Heutzutage aber stehen sogenannte automatische oder unbewusste Prozesse im Zentrum sozialpsychologischer Forschung
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