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Unser Doktor

Unser Doktor

Titel: Unser Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Reinecker
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getan?« fragte der Doktor.
    Der Bauer spuckte Tabaksaft auf die Straße.
    »Ich mag den Kerl nicht, das ist alles.«
    Er drehte sich um und stapfte weiter die Straße entlang.
    Er drehte sich noch einmal um: »Ich laß mir keinen Zahn rausnehmen von einem Kerl, den ich nicht mag.«
    Wir fuhren weiter, und es brauchte lange, bis der Doktor sich beruhigte.
    »Mein Kollege«, sagte er, immer noch lachend, »ist ziemlich neu. Noch jung und sehr gebildet. Wissen Sie, von der Sorte, die gern zeigt, daß sie gebildet ist. Das mögen unsere Bauern gar nicht.«
    Wir fuhren diesmal hoch rauf bis auf Wolieder Sand. Der Doktor sprach nicht mehr über Ursula, obwohl er dieses Thema bestimmt nicht vergessen hatte.
    Wir hielten in der Siedlung nahe der Elbe, lauter kleine Häuser. Hier hatte der Doktor in mehreren Häusern zu tun. Als er zurückkam, war er ziemlich besorgt.
    »Lauter Erkältungsfälle. Hoffentlich kommt die Grippe nicht her.«
    »Belebt das nicht das Geschäft?« fragte ich.
    Er starrte mich an.
    »Du lieber Himmel«, meinte er, »ich sehe, daß Sie keine Ahnung haben. Sie glauben, dann verdient ein Arzt mehr Geld?«
    »Ich dachte.«
    »Sie dachten, eine Epidemie macht die Leute elend und den Doktor fett? Herr«, sagte er, »je mehr ich zu tun habe, um so weniger Geld verdiene ich. Da kennen Sie die Preugo nicht.« Ich sah ihn dumm an. »Preußische Gebührenordnung heißt das und ist eine fabelhafte Erfindung. Sie legt genau fest, was ein Arzt verdient, verdienen darf. Für eine Erstberatung drei Mark zwanzig, für jede weitere normale Beratung zwei Mark, für einen Besuch bekomme ich vier Mark und so weiter. Abgerechnet wird vierteljährlich. Dann stellt jeder Arzt seine Leistungen zusammen und schickt sie ein. Die Krankenkasse hat einen bestimmten Betrag zur Ausschüttung an die Ärzte zur Verfügung, man muß schon sagen Ausschüttung, wie bei einer Lotterie. Dann werden alle ärztlichen Leistungen zusammengezählt, und dann stellt man fest, wieviel man geben kann. Die sogenannte Quote. Das sind dann bloß achtzig oder fünfundsiebzig Prozent der Beträge, die ich Ihnen eben genannt habe.«
    »Ach so«, sagte ich.
    »Sie überlegen immer noch nicht, was das heißt. Auf den Gedanken kommen Sie gar nicht. Das heißt nämlich: Gott schütze die Ärzte vor Epidemien. Sie rennen von Haus zu Haus, arbeiten sich tot, und was ist das Ergebnis: eine schlechte Quote.«
    »Das ist doch nicht möglich, Doktor«, sagte ich.
    »Sie merken es jetzt«, grinste der Doktor, »je mehr ich tue, um so weniger verdiene ich. Das Krankheitsrisiko trägt der Arzt. Dieses System ist einmalig in der Welt, ein Kuriosum, das in seinen Grundsätzen allem widerspricht, was unsere moderne Arbeitswelt kennt, in der nämlich der Verdienst sich nach der Leistung richtet. Erzählen Sie so was mal unseren Metallarbeitern, die gerade streiken. Die lachen sich tot, und wenn sie Söhne haben, die Medizin studieren wollen, werden sie ihnen die Hose strammziehen.«
    »Was kann man dagegen tun?«
    Er grinste mich an. »Warum soll man ein Gesetz ändern, das so bequem ist? Ärzte können ja nicht streiken. Nicht eine Stunde. Ihr Ethos ist das Band, an dem man sie hält, und wenn sie aus dem Band auch eine Schlinge machen. Was meinen Sie, weswegen so wenig Ärzte aufs Land wollen? Nicht weil es da langweilig ist, nicht weil ihnen Theater und Konzerte fehlen, sondern weil es da keine Privatpatienten gibt, auf dem Lande herrscht nur die Preugo .«
    Er grinste wieder: »Mein Wagen verdient mir manchmal mehr als ich mir selber, mit Kilometergeldern.«
    Der Doktor hielt vor dem Gasthaus an der Elbe.
    »Ich setze Sie hier ab«, sagte er, »ich habe nur in der Umgebung zu tun, eine Stunde oder zwei. Trinken Sie einen Schnaps hier. Ich hole Sie wieder ab.«
    Etwas unvermittelt setzte er mich auf die Straße und fuhr davon. Ich wußte, er tat nichts ohne Überlegung. Er wollte mir eine oder zwei Stunden Zeit geben, die ich ganz für mich hatte, um nachdenken zu können.
    Ich lächelte: Ursula. Er dachte darüber nach, so wie ich.
    Ich sah auf die Elbe hinaus.
    Ein Schleppkahn zog vorbei, Wäsche flatterte, der übliche Hund lief auf dem Deck hin und her, starrte ins Wasser.
    Ich betrat die Gaststube.
    Ich erkannte die Wirtin wieder, die uns damals den Hinweis auf Christine gegeben hatte, die wir von einem Schleppkahn herunterholten.
    Ich hatte eine Menge kennengelernt. Ich kannte die Wege wieder, die wir gefahren waren, ich kannte die einzelnen Häuser, die

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