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Unser Doktor

Unser Doktor

Titel: Unser Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Reinecker
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geben. Alles, was ich besitze.« Er erschrak plötzlich. »Verzeihen Sie, dieser Vorschlag sollte keine kaufmännische Seite haben.«
    »Ja«, sagte ich.
    Das Licht fiel ins Zimmer, schaffte einen unwirklichen Rahmen. Grelle Lichtflecke auf dem Boden, ein Muster von stechendem Licht.
    »Ja«, sagte ich wieder und fühlte mich matt wie nie zuvor.
    Eilig sagte er: »Sie können sich das überlegen. Sie müssen gar nichts darauf sagen, nicht jetzt, nicht in diesem Moment. Ich bitte Sie darum, sich das, was ich gesagt habe, zu überlegen und — vielleicht zu vergessen.«
    Er stand auf, und ich erhob mich ebenfalls.
    Er streckte mir ernst die Hand hin.
    »Nun habe ich alles gesagt«, murmelte er, »fahren Sie, ehe sie zurückkommt.«
    Ich ging hinaus.
    Ich stieg in meinen Wagen. Der Vater Ursulas stand in der Haustür und hob die Hand. Das war seine einzige Bewegung. Langsam fuhr ich ab.
    Ich befand mich in einer unwirklichen Stimmung. Ich hatte die Stimme des alten Mannes noch im Ohr. Ich überlegte seinen Vorschlag nicht. Ich überlegte nicht, ob ja oder nein. Darauf kam es gar nicht an. Ich überlegte, wer ich war.
    Ich fuhr nicht sehr lange, als ich den weißen Wagen Ursulas von fern kommen sah.
    Sie fuhr sehr schnell, fast zu schnell.
    Offenbar hatte sie mich auch erkannt, denn sie bremste. Der Wagen bremste mit blockierenden Rädern, daß der Staub hochwehte. Ursula lachte mich an.
    »Hallo«, sagte sie.
    Ich stieg aus und ging an ihren Wagen. Ich sah ihr Gesicht, und mein Herz bewegte sich wieder.
    Sie streckte mir ihre schmale Hand entgegen, und ich nahm sie. Ihr Rock war hochgerutscht und zeigte ihre Knie.
    »Sie fahren ziemlich schnell«, sagte ich.
    »Mir war danach zumute«, antwortete sie leichthin, »ich habe gern den Wind im Gesicht.«
    »Ich glaub’s «, sagte ich. Sie wurde ernster, sah mich an: »Woher kommen Sie?«
    »Ich wollte Sie besuchen, aber Ihr Vater sagte mir, daß Sie unterwegs sind. Er wußte nicht, wohin.«
    »Ich sage es nie«, lächelte sie, »weil ich es selber nie weiß. Mein Vater ist sehr besorgt.«
    »Ich glaube«, sagte ich.
    Sie holte aus dem Handschuhkasten eine Schachtel Zigaretten, steckte sich eine an. »Sind Sie überhaupt noch in dieser Gegend?« lächelte sie. »Ich dachte fast, Sie seien schon abgefahren.«
    »Nein. Ich treibe mich noch hier herum.«
    »Sie wollten mich also nicht besuchen, um sich zu verabschieden?«
    »Nein.«
    Sie stieg aus.
    Sie trug einen blauen Rock von kräftiger Farbe, dazu eine rot-blau gestreifte Klubjacke mit goldenen Knöpfen. Sie zog sich den rechten Schuh wieder an.
    »Fahren Sie ohne Schuhe?« fragte ich lächelnd.
    »Die hohen Absätze stören«, sagte sie und lachte auch. Sie fuhr mit der Hand über die schwarzen Haare. »Ich sehe ziemlich wild aus.«
    »Das macht nichts.«
    Sie sah mich an, blies den Rauch weg. Ihr Gesicht wurde etwas kühler. Es war so weiß wie immer, mit einem Anhauch von Farbe.
    »Wenn Sie sich nicht verabschieden wollten, was wollten Sie?«
    »Sie sehen«, sagte ich.
    »Langeweile?« Sie lachte plötzlich. »Das Land ist langweilig, dann wird es etwas interessant, weil man ein paar Leute kennt, aber wenn man sie genügend kennt, wird es wieder langweilig.«
    »Ich finde es nicht langweilig«, sagte ich, und es entfuhr mir plötzlich: »Dürfen Sie das überhaupt, Auto fahren? Ich meine, so schnell und — «
    Ich brach ab, weil mir plötzlich nicht sehr wohl war.
    Sie lächelte leicht. »Es spielt keine große Rolle. Ich werde mich gleich hinlegen, aber das Liegen ist nicht sehr amüsant.«
    »Ich kann es mir vorstellen«, sagte ich.
    »Es hat keinen großen Zweck, Ärzten gehorsam zu sein. Nicht in meinem Falle.«
    Ganz unvermittelt stieg sie wieder ein, mit verschlossenem Gesicht.
    »Hören Sie«, sagte ich und kannte meine eigene Stimme plötzlich kaum, »darf ich Sie heute abend besuchen?«
    Sie hatte die Hand schon am Zündschlüssel, ließ sie sinken, wandte das Gesicht und sah mich an.
    Es entstand eine längere Pause.
    »Natürlich«, sagte sie, »wenn Sie Lust haben. Wann wollen Sie kommen? Gegen acht?«
    »Acht ist mir recht«, sagte ich.
    »Gut.« Sie ließ den Motor an. »Bis heute abend.«
    Sie fuhr los, und ich stand auf der staubigen Landstraße und
    sah ihr nach. Sie fuhr ganz langsam. Der Wagen rollte nur dahin, und ich hätte gern ihr Gesicht gesehen.
    Ich stieg langsam wieder in meinen Wagen.
    Ich wollte noch nicht zu meinem Doktor fahren, weil er sicher noch in der Praxis zu tun hatte. Aber ich

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