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Unser Doktor

Unser Doktor

Titel: Unser Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Reinecker
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Abend«, sagte Ursula leise.
    Natürlich war es ein schöner Abend gewesen, weil sie nicht allein war, weil sie sich sicher fühlte, weil sie vollendet war. Sie schob ihre Hand herüber und ließ sie liegen. Sie wollte fühlen, daß ich da war.
    Ich brachte sie zu Bett.
    »Du gehst nicht weg?« fragte sie.
    »Nein«, antwortete ich.
    Sie schloß die Augen. »Wir müssen mit der Zeit vorsichtig umgehen«, sagte sie.
    Sie meinte, wir konnten sie nicht verschwenden. Und sie hatte recht. So wie Doktor Färber recht hatte.
    »Ich bin neugierig, wie es bei dir zu Hause aussieht«, lächelte sie abwesend.
    »Es wird dir gefallen. Es ist ein altes Haus. Meinem Vater gehörte es schon, und er hatte eine Vorliebe für dunkle Hölzer. Sie wirken lebendig, sie machen das Haus warm.«
    »Lebt dein Vater noch?«
    »Nein, es lebt niemand mehr. Ich war allein. Bis jetzt.«
    »Bis jetzt«, wiederholte sie. »Du willst es immer noch? Daß ich mitkomme?«
    »Natürlich. Wir können in zehn Tagen verheiratet sein.«
    Sie öffnete die Augen weit, sah mich verwundert an.
    »Aber«, sagte sie leichthin, »wie kommst du darauf? Es lohnt nicht.“
    »Das drückst du falsch aus«, sagte ich so ruhig ich konnte, »aber es spielt für mich eine Rolle.«
    »Welche?« flüsterte sie.
    »Was du bist, soll auch so genannt werden können: meine Frau.«
    »Nein, nein«, sagte sie leise. Sie richtete sich auf. »Willst du das wirklich?«
    »Es ist einfach natürlich.«
    Sie atmete tief auf. »Mein Lieber«, sagte sie leise, »mir widerfährt ein Wunder, einfach so etwas wie die Verwirklichung eines Traumes.«
    Sie lächelte ein wenig kläglich. »Und ich kann dich für nichts entschädigen. Verzeih«, berichtigte sie sich, »es ist wieder ein falsches Wort.«
    »Ein ganz falsches, ja«, sagte ich und machte das Licht aus.
    Am nächsten Morgen war Ursula früh auf.
    »Ich werde auch am Schlaf sparen«, sagte sie, »obwohl man mir das wahrscheinlich verbieten wird.«
    Sie ging noch einmal durch das Haus. Ich hielt ihren Vater zurück, der ihr folgen wollte. Er begriff mich sofort. Sie sah sich das Haus an, in dem sie so lange gelebt hatte und das sie wahrscheinlich nicht wiedersehen würde.
    Sie kam zurück, heiter und gelassen. Sie verabschiedete sich von ihrem Vater, dem Tränen in den Augen standen.
    Aber er war so mutig, wie er eben sein konnte.
    »Ich werde dich bald besuchen«, meinte er, »ich muß ja wissen, wo du nun lebst.«
    Dann packten wir die Koffer in den Wagen.
    Der Tag war fast heiß. Gleich vor dem Hause begann das Land zu blühen, sich blühend hinzustrecken bis zum Horizont.
    Ursula wandte keinen Blick mehr zurück.
    Wir fuhren langsam hinüber nach Bredersdorf .
    Dort war die Praxis schon in vollem Gange. Ich sah die Köpfe der Patienten durch die Fensterscheibe des Wartezimmers.
    Der Doktor hatte aber auf mich gewartet.
    Er kam heraus im weißen Kittel und sah zu, wie ich meinen Koffer in den Wagen lud.
    »Ihr werdet wunderbares Wetter haben«, sagte er und brummte: »Der Teufel soll diesen schrecklichen Beruf holen. Ist das erlaubt, daß man nicht einmal Zeit hat, seine Freunde zu besuchen, dann, wenn man Lust hat?«
    »Das ist nicht erlaubt«, sagte ich, »und ich erwarte Sie so bald wie möglich.«
    »Ich werde es arrangieren«, meinte er, »ich werde mir einen teuren Vertreter engagieren, und auf einmal werde ich vor eurer Tür stehen.«
    »Aber bald, Doktor«, sagte Ursula leise.
    Er drückte uns stumm die Hände.
    Seine Frau kam heraus, und die Sonne brannte heiß auf die Treppenstufen des Hauses.
    Der Lehrer kam noch und der von ihm alarmierte Pastor.
    Der Pastor streckte mir die Hand hin.
    »Ich weiß«, sagte ich, »Sie kriegen die neue Glocke.«
    »Habe ich ein Wort davon gesagt?« protestierte er.
    »Nein, aber ich habe daran gedacht«, sagte ich, »es soll eine besonders hübsche Glocke werden mit einem Ton, der sich hören lassen kann. Es soll, verdammt noch mal, die hübscheste Glocke weit und breit sein.«
    Dann fuhren wir ab.
    Der Doktor mit seinem weißen Kittel war noch von weitem zu sehen. Er ging auf die Straße hinaus, um uns nachblicken zu können, solange es nur eben ging.
    Ich verdankte ihm viel, einem Manne, dem meine ganze Bewunderung gehörte, dem einfachen Landarzt Doktor Färber.

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