Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
1. Kapitel
Angesichts eines fehlenden Hämmerchens griff Hector MacLean nach einem schweren, gläsernen Aschenbecher, mit dem er auf die Mahagonitheke schlug.
»Meine Damen und Herren, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Ruhe dahinten, Ihr australisches Gesindel. Ich verspüre das Bedürfnis, einen Trinkspruch auszubringen. Hierher, Kleines, hierher.« Er winkte Daisy zu sich und legte den Arm um ihre Taille. »Würden Sie bitte alle Ihr Glas erheben … auf meine wunderhübsche Tochter.«
»Auf Ihre wunderhübsche Tochter«, riefen sämtliche Anwesende im Chor. Daisy rollte mit den Augen.
Ehrlich, musste er immer so peinlich sein?
»Du hast da ein paar Kleinigkeiten ausgelassen«, erklärte sie ihm. »Eigentlich wolltest du doch sagen ›Auf meine wunderhübsche, intelligente und unglaublich fleißige Tochter, ohne die dieses Hotel binnen einer Woche pleite ginge.‹«
»Genau das wollte ich sagen. Exakt. Versteht sich von selbst.« Hector holte mit seinem Glenmorangieglas weit aus. »Jeder hier weiß das bereits. Wie ja auch alle wissen, dass du darüber hinaus dickköpfig, herrisch und unglaublich unbescheiden bist. Aber ich bin trotzdem stolz auf dich. Wenn man bedenkt, dass du während der Schulzeit ständig geschwänzt hast. Und geraucht. Deine Mutter und ich hätten niemals geglaubt, dass aus dir mal etwas wird. Aber du hast dich recht ordentlich gemacht. Und jetzt zu meinem nächsten Trinkspruch. Ich möchte, dass Sie alle noch einmal Ihr Glas auf den lieben, alten Dennis erheben.«
»Auf den lieben, alten Dennis«, grölten sämtliche Gäste, auch jene, die nicht die leiseste Ahnung hatten, wer Dennis war. Das machte Hector MacLean aus – seine Begeisterung und seine Joie de vivre waren ansteckend.
Wie gewöhnlich staunte Daisy. In kürzester Zeit hatte sich ein ruhiges Beisammensein mit ein paar Drinks zu einer spontanen, ausgelassenen Party entwickelt. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis ihr Vater sein Akkordeon herausholte und die Tanzerei begann.
Daisy, die froh war, dass ihre Weißweinschorle zu neun Zehnteln aus Wasser bestand, ließ sich auf einem Barhocker nieder, während ihr Vater zwei Spätankömmlinge wie seine engsten Freunde willkommen hieß.
»Endlich! Wie wunderbar! Hören Sie, wir stecken hier in der Bredouille – hat einer von Ihnen zufällig ein Klavier dabei?«
Einer der Australier materialisierte sich neben Daisy. Sie schüttete ihren leeren Magen gerade mit Cashewnüssen und Mandeln zu. Nicht unbedingt ideal, aber besser als nichts.
»Ihr Dad ist ein echtes Unikum. Als uns dieses Haus empfohlen wurde, dachten wir, meine Güte, wahrscheinlich so ein altes Countryhouse voller affektierter Weiber in Tweed und aufgeblasenen, alten Colonel-Typen – ohne uns . Aber unsere Freunde haben uns versprochen, dass es hier ganz anders wäre, und sie hatten Recht. Es ist toll!«
»Wahrscheinlich werden Sie Ihre Meinung ändern, sobald mein Vater seinen Dudelsack herausholt«, warnte Daisy.
»Sie machen Witze!« Der Australier strahlte auf. »Er kann tatsächlich Dudelsack spielen?«
»Nein. Er denkt nur, dass er es kann. Wenn Sie wissen, was gut für Sie ist«, flüsterte Daisy ihm zu, »dann überzeugen Sie ihn davon, sich an sein Akkordeon zu halten.«
Der Mann lachte, obwohl sie nicht gescherzt hatte.
»Und wer ist dieser Typ, auf den wir gerade getrunken haben? Dieser liebe, alte Dennis? Ist das jemand, der hier arbeitet?«
»Ach ja, Dennis ist unser Wohltäter«, erklärte Daisy. »Ohne ihn hätten wir dieses Hotel nicht.«
»Es gehört ihm?«
»Dennis ist Ihnen höchstwahrscheinlich ein Begriff«, sagte Daisy zu dem Australier. Mit dem Kopf nickte sie in die Richtung des Barkeepers Rocky, der eine Melodie pfiff: »Wenn Sie diesen Song kennen, dann kennen Sie auch Dennis.«
Neben dem Australier fing Tara Donovan ebenfalls zu pfeifen an. Der Australier legte die Stirn in Falten. »Das ist doch dieses Kinderlied, oder? Dennis, der wackere Wackeldackel? Tut mir Leid, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
Rocky und Tara pfiffen und wackelten sich bis zum Ende des Liedes durch.
»Mein Vater mag in seinem Leben nicht mit vielen brillanten Ideen gesegnet gewesen sein«, erläuterte Daisy herzlich, »aber vor fünfundzwanzig Jahren hatte er einen Geistesblitz. Er erfand Dennis.«
»Sie wollen mich verarschen! Im Ernst? Das ist unglaublich!« Der Australier schlug sich verzückt aufs Knie. »Ich habe diese Bücher für meine Kinder gekauft.«
Rocky steppte
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