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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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aufragende bärtige Silhouette, denn das Pferd, das man ihm zugeteilt hatte, war um einiges größer als meins, und er trug eine für diese Region typische Schaffellmütze – oben breiter als unten – und hatte zu meiner Verblüffung eine traditionelle breitschultrige tscherkesska mit Patronengürteln über der Brust angelegt. Und über seine Schulter ragte wie ein großer Bogen die Kalaschnikow.
     
    Das Wimmern wurde lauter, und mit Schaudern erkannte ich es jetzt als das, was es die ganze Zeit gewesen war: das Klagen von Frauen, die ihre Toten betrauerten, jede für sich und jede in schriller Dissonanz zu den anderen. Ich roch Holzrauch und sah auf halber Höhe des Hangs vor mir zwei Feuer brennen, die von Frauen bewacht wurden; daneben spielten Kinder. Und wo auch immer ich hinsah, hoffte ich verzweifelt auf irgendeine vertraute Körperhaltung oder Bewegung: Larrys unverkennbar englische Pose, ein Bein vorgestellt, die Hände auf dem Rücken; oder Larry, wie er sich die Stirnlocke zurückstreicht, während er einen Befehl erteilt oder bei einer Diskussion brilliert. Ich suchte vergeblich danach. Ich sah Rauchwolken aufsteigen, bis der Wind sie den Hügel herunter auf mich zutrieb. Ich sah ein totes Schaf kopfüber an einem Baum hängen. Und nach dem Holzrauch roch ich Tod und wußte, daß wir am Ziel waren: Es war der süßliche, klebrige Gestank von Blut und verbrannter Erde unter freiem Himmel. Mit jedem Schritt, den wir vorankamen, wurde der Wind stärker und das Klagen lauter, als ob der Wind und die Frauen sich verbündet hätten und der Wind, je kräftiger er wehte, um so lautere Klagen von den Frauen mit auf den Weg bekam. Wir ritten hintereinander, Tschetschejew voran und Magomed dicht hinter mir, und seine Nähe war mir ein Trost. Hinter Magomed ritt Issa. Und auch Issa, der große Freidenker und Schwindler und Mafioso, hatte für den Anlaß festliche Kleidung angelegt, denn außer der hohen Mütze trug er einen schweren Mantel, der seinen Oberkörper wie eine Pyramide aussehen ließ, die goldenen Knöpfe seines grünen Blazers aber nicht ganz verbergen konnte. Er sah genau so finster drein wie Magomed; durch den Bart, den er sich aus Trauer hatte wachsen lassen, und den Stirnrand der Fellmütze wirkten seine Augen noch dunkler.
    Nach und nach wurde mir klar, was die Gestalten in den Trümmern machten. Nicht alle trugen Schwarz, aber alle hatten den Kopf bedeckt. Am Rand des Hochplateaus, an einer Stelle, die von den zwei hinteren Wachtürmen gleich weit entfernt war, erkannte ich primitive längliche Steinhaufen, die wie Särge geformt waren und oben spitz zuliefen. Und ich sah, wie die Frauen sich dazwischen hin und her bewegten, wie sie sich nacheinander über jeden einzelnen dieser Steinhaufen beugten, die Hände darauf legten und mit denen, die dort lagen, redeten. Aber behutsam, als dürften sie sie nicht wecken. Die Kinder hielten sich abseits.
    Andere Frauen schälten Gemüse, holten Wasser für die großen Kessel, schnitten Brot und legten es auf behelfsmäßige Tische. Ich zog daraus den Schluß, daß diejenigen, die vor uns angekommen waren, Schafe und andere Nahrungsmittel mitgebracht hatten. Die meisten Frauen aber standen gesondert und dicht gedrängt in einem Gebäude, das wie eine zerstörte Scheune aussah, und sie waren es, die beim Eintreffen jeder neuen Gruppe von Trauergästen diese entsetzlichen Klagelaute ausstießen. Unterhalb der Scheune, etwa fünfzig Meter davon entfernt, lagen, von verkohlten Zäunen umgeben, die Reste eines Hofs. Darüber hing der Finger eines Dachbalkens, in einer Mauer befand sich so etwas wie ein Eingang, der aber weder Tür noch Rahmen hatte, und das Mauerwerk war derart von Hochgeschwindigkeitsgranaten durchsiebt, daß man beinahe mehr Löcher als Steine sah.
    Dennoch traten alle Männer, die ankamen, durch diesen Eingang und begrüßten drinnen andere Männer, drückten Hände, umarmten sich, standen sich gegenüber und beteten, setzten sich dann und redeten miteinander und kamen und gingen mit dem Ernst von Jahrhunderten, und wie Magomed und Issa waren sie alle festlich gekleidet: Männer in hohen Schaffellmützen und Kniehosen wie aus den zwanziger Jahren, Männer mit breiten kaukasischen Gürteln und Schaftstiefeln und goldenen Uhrketten, Männer in Käppchen mit weißen oder grünen Bändern, Männer, die ihre kinjals an der Seite trugen, heilige Männer mit Bärten und ein alter Mann in einer prächtigen bourka – dem weiten Umhang aus Filz, eher

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