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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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im Gesicht und auf den Schultern. Er spürte, wie sehr sich seine Muskeln, seine Haut erhitzt hatten, obwohl es draußen empfindlich kühl war. Zu kühl für die Jahreszeit.
    Einen Moment spielte er mit dem Gedanken, hinauszugehen und im strömenden Regen zu tanzen. Die dicken Tropfen auf der Haut zu spüren.
    Er durchquerte die Halle, auf deren Zementboden seine harten Absätze wie Hammerschläge knallten, dann beherrschte er sich jedoch und kehrte um, zurück zu ihr.
    Langsam kroch die Kälte in seinen Körper. Er sollte sich beeilen, nicht, dass ihn ein dusseliger Zufall in Schwierigkeiten brachte. Die herumliegenden Kondome sprachen für sich, irgendwelche notgeilen Teenager wussten die Abgeschiedenheit der Halle ebenfalls zu schätzen.
    So viel Schmutz. Den kleinen Wichsern, die hier in die widerlichen Gummitütchen gespritzt hatten, denen würden sie vielleicht draufkommen, nicht ihm. Auf jeden Fall waren sie lange damit beschäftigt, darauf konnte er sich verlassen.
    «Darauf verlassen, darauf einen lassen, findet meine Tassen und sucht nicht nach dem Schrank», sang er. « DUMM », schrie er das tote Mädchen an. «Verstehst du? Dumm.»
    Aber sie verstand nichts mehr.
    Diese hier war nicht sein Mädchen gewesen, sein Mädchen hätte verstanden. Wie hatte sie diese Schweinerei veranstalten können, das schöne Zimmer, die Pfingstrosendecke, alles hatte er ihr geschenkt, nur für sie hatte er es so schön gemacht, und dann besudelte sie es, zertrümmerte ihren iPod mit all der schönen Musik, all die Klavierstücke, die er nur für sie darauf geladen hatte, und zermetzelte sich die Arme damit. Dummes Ding, dummes, dummes Ding.
    Vielleicht hatte sie es gewusst. Oder geahnt. Die E-Mail mit dem Ergebnis war nur ein paar Stunden zuvor eingetroffen, er checkte diesen Account nicht so oft, höchstens ein-, zweimal am Tag, deshalb hatte er es noch nicht gesehen. Das Ergebnis war negativ gewesen.
    Sie hatte es gewusst, wenn das Ergebnis negativ war, würde sie nicht bei ihm bleiben können. Er hatte ihr das nicht verschwiegen.
    Er schaute sie sich noch einmal an.
    «Hier bist du gut aufgehoben», flüsterte er. «Schau dich um, schau sie dir alle an. Sie behüten dich. Sie beten für dich.» Vorsichtig fasste er sie am Kinn und bewegte ihren Kopf von links nach rechts.
    Nicht einmal ihre Beine konnte sie richtig halten, verdammt. Sie sollte sie nicht so schamlos ausbreiten und jedem hergelaufenen Rotzjungen zurufen, hier, hier, das ist für dich, ich lass dich ran, du darfst es mir machen, ja, komm, hier das ist für dich.
    Ob sie noch Jungfrau war? Er wagte es nicht, das genauer zu untersuchen. Wie sie dalag, lud sie ihn fast dazu ein, aber er wollte sie nicht dort anfassen. Nicht anfassen, nein, nicht dort, auch wenn sie nicht sein Mädchen war.
    Er schluchzte.
    «Meine Süße, meine Kleine, mein Engelchen.»
    Keine Tränen, nein, nein, nein. Keine Tränen. Tränen waren etwas für Memmen, und Memmen bekamen das, was Memmen verdienten. Zuerst unten im Bunker, aber später auch noch oben, überall, im Waschraum, im Schlafsaal.
    Er bückte sich zu ihr hinab. Die Jogginganzugjacke aus gelbem Nickistoff war hoch geschlossen. Sie hatte diesen samtartigen Flor gemocht. Er zog den Reißverschluss auf. Seine Finger, die in Handschuhen aus hauchdünnem Latex steckten, glitten über ihren verschmierten Körper. Er zeichnete eine
0
und eine
1
und die
3
in das geronnene Blut auf ihrem Arm.

7
    Ich hatte geschlafen wie ein Stein, wachte aber noch vor dem Zwitschern des Weckers auf. Ein kleiner Vogel, grellorange und aus Plastik, riss mich normalerweise um Viertel nach sechs mit durchdringendem, lautem Gezwitscher aus dem Schlaf. Ich fand ihn lustig. Außerdem hätte mich etwas anderes kaum geweckt.
    Ich brauchte ein paar Sekunden, um die rote LED -Anzeige zu fixieren und die Uhrzeit zu entziffern. Der Rest eines Traums hing mir nach, in dem ein paar Jungs die Kohlenrutsche hinuntersausten und statt im Keller des Internats in einem Bassin landeten. Klebrige Flüssigkeit spritzte auf, dampfend, weil das Becken plötzlich in einem Garten stand und es kalt draußen war. Jemand stieg heraus, die Flüssigkeit perlte an ihm herab, wie Farbkugeln schossen die Tropfen durch die Umgebung und trafen mich im Gesicht. Ich wischte über meine Stirn, aber dort war nichts.
    5 : 47  Uhr. Eine Ewigkeit noch, nein, zwei Ewigkeiten. Knapp dreißig Minuten, die über das Wohl oder Wehe eines ganzen Tages entscheiden konnten. Aber ich war

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