Unsichtbare Spuren
der Beamte und wandte sich gleich darauf einem Ehepaar zu .
Butcher lief zum Wikinger museum und warf einen langen Blick über das Haddebyer Noor. Die Sonne schien durch ein paar Wolkenlücken und ließ lauter kleine Sterne auf dem Wasser tanzen. Er blieb eine Viertelstunde, bevor er sich zurück zum Parkplatz begab. Die Polizisten waren noch immer damit beschäftigt, Handzettel zu verteilen. Er nickte einem von ihnen zu und stieg in seinen Wagen.
Er legte wieder die CD mit dem hämmernden, dumpfen, anarchischen Beat von Rammstein ein, die Stimme des Sängers erinnerte ihn an die der Agitatoren im Dritten Reich, und drehte die Lautstärke fast bis zum Anschlag hoch, sobald er auf der Bundesstraße war. Butcher spürte wieder diesen Druck in seinen Lenden und seinem Kopf, alles in ihm war ein einziger, fast unerträglicher Druck. Er kam immer öfter und wurde von Mal zu Mal stärker. Für halb sieben hatte er sich mit zwei Kollegen von der freiwilligen Feuerwehr in einem Lokal verabredet, um ein oder zwei Bier zu trinken. Aber Butcher trank nie viel, er war auch noch nie betrunken gewesen, und er rauchte nicht und verabscheute Drogen. Seine Mutter hatte ihm beigebracht, welch verheerende Wirkungen Drogen haben konnten. Und natürlich hatte sie Recht, schließlich hatte er miterlebt, wie sein Vater am Alkohol zugrunde gegangen war. Er würde nie so enden, denn er hatte sich unter Kontrolle. Nicht immer, aber meistens .
Er wurde bereits erwartet.
Sie saßen um einen Tisch, Johann Koslowski, Dieter Matuschek und Werner Claussen.
» Scheiße, das mit der Toten am Noor «, sagte Claussen, nachdem sie sich erst über die Übung am Sonntag unterhalten hatten. Wortkarg wie immer, ein introvertierter Typ, der nie aus sich herausging, nur, wenn er einen über den Durst getrunken hatte.
» Das Schwein sollte man aufhängen. Dort drüben hat ’ s doch vor ein paar Jahren schon mal ’ ne Tote gegeben «, bemerkte Matuschek wütend. » War bestimmt derselbe. «
» Kann schon sein «, sagte Koslowski. » Aber der ist bestimmt viel zu clever, um sich kriegen zu lassen. «
» Die kriegen ihn «, entgegnete Matuschek entschieden, leert e s ein Glas und bestellte gleich ein neues. » Ich hab mal gelesen, dass die Aufklärungsquote bei Mord in Deutschland bei etwa neunzig Prozent liegen soll. «
» Bleiben immer noch zehn Prozent, die davonkommen «, erwiderte Claussen.
» Ich wusste gar nicht, dass du rechnen kannst «, meinte Koslowski grinsend und hob sein Glas.
» Noch so ’ ne Bemerkung, und ich hau dir aufs Maul «, sagte Claussen, der am wenigsten Spaß von allen verstand, der sich schon einige Kneipenprügeleien geliefert hatte und von dem es hieß, dass er zu Hause unter dem Diktat seiner Frau litt .
Aber beweisen konnte es keiner, weil er nie jemanden zu sich einlud. Und wenn er eingeladen wurde, lehnte er stets ab, als wollte er mit seiner Frau nicht gesehen werden oder als wollte seine Frau nicht mit ihm weggehen. So wusste niemand etwas aus seinem Privatleben, außer, dass er ab und zu in den höchsten Tönen von seinen Kindern schwärmte. Nur bei der Feuerwehr war Claussen nicht so mundfaul, dort fühlte er sich offenbar am wohlsten, und er war stark und konnte kräftig anpacken. Aber auch Matuschek war eher in sich gekehrt, nur Koslowski war ein offener, bisweilen jovialer Typ, und dennoch wusste man nicht viel vom andern, selbst wenn man wie jetzt in der Kneipe saß und sich über allgemeine Themen unterhielt, wie etwa den schrecklichen, sinnlosen und bestimmt auch qualvollen Tod einer jungen Frau am Haddebyer Noor .
Die ganzen anderthalb Stunden wurde darüber gesprochen, wurden Theorien gestrickt und Hypothesen aufgestellt, doch nur einer von ihnen wusste, was sich wirklich abgespielt hatte .
Er beteiligte sich rege an der Diskussion, und das sonst Wortkarge und Introvertierte, das sein Wesen ausmachte, schwand von Minute zu Minute. Aber auch dies gehörte zu seinem Spiel, das er perfekt beherrschte. Die andern im Glauben zu lassen, er sei so, wie er sich gab, simpel und zu keinen geistige n H öhenflügen fähig. Und schon gar nicht fähig, einen Mord zu begehen. Vielleicht jemanden zu verprügeln, aber das war etwas anderes. Er wusste, es ging die Runde, auch er würde, wie die andern beiden, von seiner Frau beherrscht. Und natürlich stimmte es, aber er würde es nie zugeben. Alle sollten denken, er hätte die heile Familie schlechthin. Innerlich musste er während der hitzigen Diskussion grinsen,
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