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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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dennoch sagte sie sich, dass er irgendwann die um sich gebaute Mauer einreißen musste. Allein, wie er vorhin die Tote betrachtete, hatte ihr gezeigt, dass sein Jagdinstinkt noch vorhanden war, wie es in ihm kribbelte und er am liebsten gleich mit den Ermittlungen losgelegt hätte. Er erinnerte sie an den Sohn einer Bekannten, einen Autisten, der außerhalb seiner gewohnten Umgebung nach einer gewissen Zeit keinen Bissen zu sich nahm. Wenn er auf Klassenfahrt war, so hatte die Lehrerin erzählt, saß er manchmal am dritten oder vierten Tag vor seinem Teller, das Wasser lief ihm im Mund zusammen, und doch war er unfähig, den Löffel oder das Besteck zu greifen und mit den andern zu essen .
    Henning kam ihr ein wenig wie dieser Junge vor. Er würde gerne, aber da war eine Blockade, die ihn hinderte, wieder das zu tun, was er am besten konnte – ermitteln. Sich statt im Büro wieder draußen aufzuhalten, Menschen zu befragen und Fälle zu lösen. Und wenn sie nicht gelöst werden konnten, war er unzufrieden, grummelig und manchmal auch unausstehlich. Diesen Sören Henning wollte sie wiederhaben, aber sie hatte noch kein Rezept gefunden, ihn aus seinem Schneckenhaus herauszuholen.
    Schweigend fuhren sie nach Husum und hielten vor dem Backsteinhaus, in dem Miriam Hansen gelebt hatte. Ein gepflegter Vorgarten, ein niedriger Zaun, Vorstadtidylle. Eine Idylle, die gleich keine mehr sein würde .
    Lisa Santos legte den Finger auf die Klingel und wartete. Sie warf einen kurzen Blick auf Henning, der angespannt war, sich das aber nicht anmerken lassen wollte und deshalb einen eher gelangweilten Eindruck machte. Aber Santos kannte ihn schon zu lange, als dass er ihr etwas vormachen konnte. Ein etwa zwölfjähriges, sehr hübsches Mädchen mit langen blonden Haaren steckte den Kopf aus der Haustür und fragte : » Ja? «
    » Sind deine Eltern da? «, fragte Santos .
    » Meine Mutter. Wer sind Sie? «
    » Kannst du sie bitte mal holen, wir würden gerne mit ihr sprechen. «
    » Mama, da sind zwei Leute für dich «, rief sie ins Haus und verschwand auch gleich wieder.
    Kurz darauf erschien eine große, schlanke Frau und musterte die Beamten kritisch. Bevor sie etwas sagen konnte, stellte sich Lisa Santos vor.
    » Santos, Kripo Kiel. Das ist mein Kollege Herr Henning. Dürften wir Sie kurz unter vier Augen sprechen?« Sie hielt ihren Ausweis hoch.
    Frau Hansen kam näher, warf einen Blick darauf und sagte mit hochgezogenen Brauen: » Kriminalpolizei? Was … «
    » Können wir ins Haus gehen? «
    » Bitte. «
    Sie folgten ihr ins Innere und wurden in das Wohnzimmer geführt, das nüchtern und in hellen Farben eingerichtet war, modern und doch leblos. Ein riesiges Fenster gab den Blick auf den Garten frei, den kurzgeschnittenen Rasen, die symmetrisch angeordneten Sträucher und kleinen Bäume. Auf der Terrasse waren eine Hollywoodschaukel, ein weißer Tisch und vier Stühle darum. Santos hätte am liebsten gleich wieder kehrtgemacht, um den Raum zu verlassen, denn diese kühle Sachlichkeit behagte ihr nicht.
    Ohne den Beamten einen Platz anzubieten, sagte Frau Hansen mit rauchiger Stimme: » Also, was kann ich für Sie tun? «
    » Frau Hansen, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Tochter Miriam tot ist. « Santos wollte vorerst keine weiteren Details über die Art und Weise preisgeben, wie Miriam gestorben war. Sie würde erst die Reaktion der Mutter abwarten und dann entscheiden, wie viel sie ihr erzählte.
    » Was? Miriam ist tot? Wie ist sie gestorben? «, fragte sie mit starrer Haltung und ungläubigem Blick .
    » Sie wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Dürfen wir uns setzen? «
    » Sicher «, sagte Frau Hansen und deutete auf die Sitzgarnitur .
    » Wann und wo ist es passiert? «
    » In der Nähe des Wikingermuseums bei Schleswig. Vermutlich gestern Abend. Wie es aussieht, ist sie per Anhalter gefahren und dabei ihrem Mörder in die Hände gefallen. «
    Frau Hansen schüttelte den Kopf und meinte mit ausdrucksloser Stimme und ohne sich eine Gefühlsregung anmerken zu lassen: » Ich habe ihr so davon abgeraten zu fahren, aber sie wollte partout nicht auf mich hören. Hätte sie nur auf mich gehört! Wie oft liest man von jungen Mädchen oder Frauen, die per Anhalter unterwegs sind und nie wieder zurückkommen. Aber dass es Miriam passieren könnte, daran habe ich nicht gedacht. Nur manchmal hatte ich in den letzten Monaten Angst, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte .
    Na ja, ich wusste ja nicht, wo sie sich

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