Unsterbliche Küsse
sich an einer Seite des Küchengartens. Das Tor, durch das sie die Nacht zuvor gerannt war, stand offen, ließ sich aber nicht zumachen. Offenbar ein Hindernis am Boden.
Damit war klar, dass sie sich das Licht vom letzten Abend nicht eingebildet hatte. Im knöchelhohen Gras lag eine mächtige schwarze Taschenlampe.
»Ich glaube, das war’s fürs Erste, Miss LePage.«
Dixie strahlte über das ganze Gesicht; ihr gegenüber saßen der Leiter der Bankfiliale und der Hauptkassierer. Sie war sprachlos. Mit ein paar Unterschriften hatte sie soeben zehnmal so viel Geld eingestrichen, wie sie in ihrem ganzen bisherigen Leben verdient hatte. Und das war erst der Anfang. Am liebsten wäre sie vor Freude in die Luft gesprungen wie die Gewinner von Quizshows im Fernsehen.
»Wir raten Ihnen, es gut anzulegen.«
Dixie nickte. »Ich weiß, aber ich muss mich nur erst einmal daran gewöhnen.«
»Gewiss.« Der Bankmensch lächelte, zweifellos erfreut über diese Kundin. »Kontaktieren Sie uns einfach, sobald es Ihnen passt. Möglichkeiten gibt es genug. Als Ausländerin haben Sie einige höchst attraktive Offshore-Optionen.«
»Kann ich nächste Woche wiederkommen? Nächsten Freitag zur selben Zeit?«
Dixie durchsuchte die Tasche nach ihrem Notizbuch, konnte es aber nicht finden. Stattdessen kritzelte sie etwas auf die Visitenkarte, die man ihr angeboten hatte, und steckte sie ein. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken und wollte so schnell wie möglich raus.
Zwei Häuser weiter die High Street entlang befand sich das Copper Kettle . Dixie nahm am Fenster Platz und suchte ein weiteres Mal vergeblich nach ihrem Notizbuch. Wahrscheinlich hatte sie es in der Pension liegen lassen. Sie bestellte sich ein Kännchen Tee und dachte über ihre Zukunft nach.
Sie hatte ein hübsches kleines Vermögen auf dem Konto, das nach dem Verkauf von Wertpapieren und der Fälligkeit einiger Anleihen sogar noch weiterwachsen würde. So viel Geld hätte sie sich in ihrem ganzen Leben nicht zusammensparen können, und es würde noch mehr sein, falls sie sich entschließen sollte, das Haus zu verkaufen.
Es kam ihr alles so sinnlos vor. Ihre Oma hatte sich mit einer kleinen Rente und den paar Kröten, die Großvater ihr hinterlassen hatte, mühsam durchschlagen müssen, und dabei waren die Schwestern steinreich gewesen. Sicher, sie hatten nicht in Saus und Braus gelebt, und auch das Haus war mehr als vernachlässigt. Aber trotzdem, was für Geizkragen! Großmutter hatte sie gehasst. »Zwei alte Hexen!«, hatte sie einmal auf die Fragen der kleinen Dixie nach ihrer englischen Verwandtschaft geantwortet.
Am klügsten wäre es gewesen, das Haus an den Meistbietenden zu verkaufen und mit dem nächstmöglichen Flugzeug nach Hause zurückzufliegen. Aber wo war denn das, zu Hause? Sie hatte keinen Job, und ihr Lebensgefährte hatte sie für eine reichere (nun ja, wenigstens damals) Tussi aus besseren Kreisen sitzen lassen. Ihre paar Habseligkeiten hatte sie in der Garage des Nachbarn deponiert, und sie hatte keinen einzigen lebenden Verwandten, weder diesseits noch jenseits des Atlantiks. Sie würde sich eine Auszeit gönnen, einen Monat. Geld genug und ein Dach über dem Kopf hatte sie ja. Warum nicht eine Zeit lang bleiben?
Sebastian Caughleighs Gesicht erschien irgendwie verzerrt durch das flaschengrüne Antikglas des Erkerfensters. Er fasste Dixies Winken als Einladung auf. Als er sich auf den freien Platz neben sie setzte, unterdrückte Dixie einen Anflug von Verärgerung.
Sie hatte keine Lust, sich über Häuser, Geld oder Möbel zu unterhalten. Im Moment gefiel es ihr einfach, im Gefühl finanzieller Unabhängigkeit zu schwelgen.
»Na, alles geregelt auf der Bank?« Er winkte nach der weißhaarigen, nicht mehr ganz jungen Kellnerin. »Gut, wenn vor der Abreise alles unter Dach und Fach ist.«
»So einiges. Ich will mir Zeit lassen. Ich werde ein paar Wochen bleiben. Einen Monat vielleicht oder so.«
»Oh?« Er runzelte die Stirn. Dann lächelte er sein berühmtes Lächeln. Ob er das vor dem Spiegel übte? »Schön«, sagte er. »Dann haben Sie sicher Lust, am Wochenende ein paar Leute kennenzulernen. Ein befreundetes Paar, Janet und Larry Whyte – er ist in der Versicherungsbranche – geben morgen eine Einladung. Wie wär’s, wenn ich Sie so gegen sieben abholen würde?«
Warum nicht? Wenn sie eine Weile hierbleiben würde, wäre es ganz nett, außer Emily und diesem schmierigen James noch andere Menschen kennenzulernen. »Klingt gut. Ich komm
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