Unter dem Blauen Mond: Die Legende von Falk und Fischer (Dämonenkrieg) (German Edition)
gehöre sie schon immer dorthin. Sie war zweiunddreißig und gut und gerne einen Meter achtzig groß. Ihr langes, blondes Haar fiel in einem dicken, geflochtenen Zopf bis zur Taille. Die Spitze des Zopfes beschwerte eine glänzende Stahlkugel. Sie war eher gutaussehend als hübsch, ihr Gesicht hatte eine grobknochige Härte an sich, die in starkem Kontrast zu ihren tiefblauen Augen und dem üppigen Mund stand. Wie Falk war sie in reines Schwarz und Weiß gekleidet, ohne auch nur die sanfte Brechung eines Halstuchs. Sie hatte ihr Hemd nur halb zugeknöpft und zeigte einen großzügigen Ausschnitt, vornehmlich, um ihre Gegner abzulenken. Sie trug die Ärmel bis über die Ellbogen aufgerollt und zeigte ihre Arme, die von dicken Muskelsträngen und alten Narben gezeichnet waren. An der Hüfte trug sie ein Schwert, so einfach und schmucklos wie das Werkzeug eines Metzgers, und ihre Hand wich selten weit weg davon.
Vor einiger Zeit hatte ihr etwas alle menschlichen Schwächen ausgetrieben, und das sah man.
Falk und Fischer, Gefährten, Kämpfer, unfreiwillige Helden. Einer musste es ja machen. Meist bekamen sie nicht die gewöhnlichen, alltäglichen Aufträge. Sie bekamen die schwierigsten, seltsamsten und gefährlichsten Fälle, weil man sich an Falk und Fischer wandte, wenn man alles andere schon versucht hatte, auch, einfach die Augen zu schließen und sich zu wünschen, es würde verschwinden. Trotzdem versprachen die frühen Stunden dieses besonderen Morgens einen bizarren Fall, selbst für diese beiden.
„Ich kann nicht glauben, dass man uns zu einem Geisterhaus schickt“, sagte Fischer und trat gereizt nach Abschaum auf der Straße, der ihr nicht schnell genug aus dem Weg gegangen war. „Sehe ich etwa aus wie eine Exorzistin?“
„Es scheint eher ein Fall für einen Kleriker zu sein“, sagte Falk, um den Frieden zu wahren. „Aber wenn es bedeutet, dass wir die kältesten Morgenstunden in einem schönen, warmen Herrenhaus verbringen können, vielleicht mit einem Glas Glühwein und einem kultiviertem Imbiss in greifbarer Nähe, dann muss ein Mann eben gehen, wohin die Pflicht ihn ruft. Ich kann genauso gut an Wände klopfen und Kruzifixe schwenken wie die besten Kleriker. Gespenster suchen sich immer die größten und teuersten Häuser aus, um in Erscheinung zu treten, ist dir das mal aufgefallen?“
Fischer rümpfte die Nase und blickte bockig geradeaus. „Du bist der einzige, der solche Geschichten liest. Ich bin nicht mal sicher, ob ich überhaupt an Geister glaube. Wir sind schon gegen mehr als genug kranken Scheiß angetreten, von Vampiren über Werwölfe bis zu mächtigen Wesen aus der Straße der Götter, aber wir haben noch keinen einzigen Spuk gesehen. Verdammt, bei der Zahl der Leute, die wir über die Jahre töten mussten, müssten wir bis zu den Hüften in Gespenstern schwimmen, wenn es sie gäbe!“
„Jedenfalls, was auch immer es ist, das die Familie Hartley in Angst und Schrecken versetzt, sie haben anscheinend genug Beziehungen, um unsere Vorgesetzten unter Druck zu setzen, also haben wir den Job, das wieder ins Reine zu bringen. Vermutlich wird sich herausstellen, dass es nichts weiter ist als ein paar quietschende Bodendielen und ein schlechtes Gewissen, und wir werden einfach gemütlich herumsitzen und darauf warten, dass etwas Unheimliches auftaucht. Vorzugsweise, während wir eine nette kalte Platte verspeisen und vielleicht ein wenig Knoblauchwurst. In großen Stücken. An Spießchen. Ich könnte jetzt wirklich etwas Knoblauchwurst vertragen.“
Fischer sah ihn das erste Mal an und seufzte schwer. „Ich weiß nicht, warum ich mir die Mühe mache, dich auf Diät zu setzen. Du hältst dich nie an eine. Du hast überhaupt keine Selbstbeherrschung, oder? Ich habe schon Bären im Winterschlaf gesehen, die keinen solchen Dickwanst hatten.“
Falk funkelte sie an. „Du hast das Problem ja nicht. Du kannst essen, was du willst, und nimmst nicht zu. Ich muss einen Schokoladenkeks nur anschauen, und mein Bauchumfang wächst um fünf Zentimeter. Das Dreißigwerden ist daran schuld. Darauf hätte ich mich nie einlassen dürfen. Seitdem geht alles den Bach runter. Als nächstes fange ich an, Pantoffeln zu tragen.“
„Die schönen Nussbratlinge, die ich für dich gemacht habe, wolltest du nicht einmal anrühren.“
„Lass uns über den Spuk sprechen“, sagte Falk entschlossen. „Plötzlich scheint mir das ein weit ergiebigeres Gesprächsthema zu sein. Das Haus der Hartleys liegt direkt
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