Wilder Sex und heiße Küsse
1. KAPITEL
Die Türglocke läutete. Oscar ließ sein übliches Knurren vernehmen. Als Echo schrillten zwei Quiekser aus der Garage durch die geöffnete Verbindungstür in die Küche.
Im Wohnzimmerbüro klingelte das Telefon.
Jessica Sorenson hielt das Babyfläschchen unter fließend kaltes Wasser und trocknete sich hastig die Hände.
Die Türglocke schellte erneut.
“Komme gleich!”, rief Jessica und schraubte den Sauger auf.
Oscar fauchte.
“Kann ich dir helfen?” Mücke steckte den Kopf durch die Verbindungstür. Seine aschblonden Haare standen wie immer hoch wie die Rückenborsten eines Stachelschweins.
“Könntest du ans Telefon gehen?”, rief Jessica durch das Bellen, Maunzen und Quieksen und eilte zur Tür. Herrje, war das wieder ein Tag gewesen! Und es sah Mrs. Conrad ähnlich, jetzt noch mehr Hektik zu verursachen. Seit sechs Monaten kam sie jeden Montag- und Mittwochabend zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt vorbei, nur um ein Schwätzchen zu halten.
“Na klar doch”, sagte Mücke und trottete ins Wohnzimmer.
Als Jessica nach wiederholtem Klingeln und heftigem Klopfen endlich die Haustür erreichte, musste sie feststellen, dass diese abgeschlossen war, weil Xena mittlerweile genauso ein Ausreißer geworden war wie Pearl und auch genauso gern die Azaleen des Nachbarn auffraß, wenn sie Gelegenheit dazu bekam.
Jessica schloss auf und drehte sich irritiert um, weil sie ein eigenartiges Geräusch hörte. Hoffentlich hatte Mücke nicht vergessen, die Käfige zu schließen. Er war ein guter Junge und blitzgescheit, manchmal jedoch ein bisschen zerstreut.
Doch sie konnte kein Anzeichen für nahendes Unheil erkennen, und so machte sie die Tür weit auf. “Tut mir leid, Mrs. Con…”, begann sie, noch ehe sie sich ganz zur Tür umgedreht hatte, hielt dann aber erschrocken inne.
Zwischen den Zitronenmelissesträuchern ihrer Großmutter stand ein fremder, merkwürdig aussehender Mann. Er hatte glatt zurückgekämmtes schwarzes Haar, eine hohe Stirn, ausgeprägte Wangenknochen und hatte sich, nach seinen Bartstoppeln zu urteilen, seit mindestens zwei Tagen nicht mehr rasiert. Er war so schlank, dass er fast hager wirkte, trug schwarze Kleidung, die seine Blässe betonte, und versteckte seine Augen hinter einer Sonnenbrille.
Allein die Sonnenbrille machte Jessica schon nervös. Augen erzählten immer eine Geschichte, bei Menschen wie bei Tieren, und so wusste sie nicht, ob sie ihn begrüßen oder ihm das Fläschchen an den Kopf werfen und wegrennen sollte. Aber wahrscheinlich war das noch ein Rest von ihren Ängsten aus ihrer Collegezeit in der Großstadt.
“Kann ich Ihnen helfen?”, fragte sie also, während sie das Fläschchen trocken wischte.
Der Mann hob seine Augenbrauen. “Wieso wohnt hier jemand? Ich dachte, das Haus steht immer noch zum Verkauf.”
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. “Das tut es auch, aber …”
“Was, zum Teufel, ist dann hier los?”
Jessica straffte die Schultern und holte tief Luft. Sie hatte sich nicht zehn Jahre lang abgerackert, um jetzt vor einem mysteriösen Fremden zu kuschen.
“Wer sind Sie?”, fragte sie mit fester Stimme. “Und was wollen Sie?”
“Was ich will?” Er nahm die Sonnenbrille ab und starrte Jessica empört an. Seine Augen waren dunkelbraun, das Weiße war rot geädert, und sein Blick wirkte ebenso grimmig wie sein Gesichtsausdruck. “Ich will wissen, was du in meinem Haus zu suchen hast, Sorenson.”
Beim Klang ihres Namens erstarrte sie. Ein Schauer überlief sie, und in ihrem Kopf wirbelten die Erinnerungen durcheinander. “MacCormick?”, entfuhr es ihr leise, doch noch während sie den Namen aussprach, war sie sicher, dass sie sich irrte. Daniel MacCormick, der sie früher immer mit ihrem Nachnamen angeredet hatte, war seit über zehn Jahren nicht mehr in Oakes gewesen, und nach allem, was er in der Vergangenheit über ihre kleine Heimatstadt gesagt hatte, war es auch höchst unwahrscheinlich, dass er hierher zurückkehrte.
“Was, um alles in der Welt, machst du hier?”, wollte er wissen.
“Daniel MacCormick?”
“Du meine Güte, Sorenson, was dachtest du denn, wer ich bin?”
“Ich weiß nicht”, erwiderte sie und musste vor Erleichterung und Nervosität lachen. Er sah überhaupt nicht aus wie der Daniel, mit dem sie zwölf Jahre lang zur Schule gegangen war. Damals hatte er muskulöse Schultern gehabt, kurzes, sonnengebleichtes Haar und eine Hornbrille getragen. Gut, er hatte seine Ecken und Kanten gehabt und
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